Düsseldorf Großartige Paukenschläge im letzten Sinfoniekonzert der Saison

Düsseldorf · Pauker müsste man sein. Der Job ist einfach traumhaft. Natürlich - und damit wollen wir dem pädagogischen Berufsstand in keiner Weise zu nahe treten - kann an dieser Stelle nur vom Arbeitsplatz in einem so famosen Sinfonieorchester wie den Düsseldorfer Symphonikern die Rede sein. Zumindest bei dem Programm, das jetzt die Konzert-Saison abschloss.

Hier konnte Pauker Bert Flas fast alles zeigen, was er draufhat. Er war neben der Kontrabassgruppe der heimliche Star des Abends.

Hören wir mal in Franz Berwalds 3. Sinfonie hinein. Das ist ein weidlich ungewöhnliches Stück Musik, das Werk eines deutschstämmigen Sägewerk-Besitzers in Schweden, das die Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte Form der romantischen Sinfonie irgendwie neu erfindet. Wann hat man schon mal einen langsamen Satz gehört, in dessen getragene Seriosität als Mittelteil unvermittelt ein Scherzo "allegro assai" einbricht? Berwald mag keine singenden Melodien, sondern löst sie in vornehmlich punktierte Rhythmen auf, die dann auch noch leicht und locker klingen müssen. Trotzdem umweht ein Geheimnis, eine vom Nordlicht durchflutete Wahrhaftigkeit diese Musik, die vor lauter Kontrasten kaum weiß, wohin.

Berwald hat seinem Werk mit dem Titel "Sinfonie singulière" selbst Einzigartigkeit attestiert. Dazu hätte es des großen Auftritts der Pauke gar nicht bedurft. Doch Berwald ist es eingefallen, einen knackig heftigen Paukenschlag als eine Art Weckruf fürs Publikum in eine besonders lyrische Passage einzufügen. Als haute er die Konvention zu Klump.

Die Düsseldorfer Symphoniker finden sich in Berwalds diffizilem Klangkosmos unter der Leitung von Seikyo Kim ebenso zurecht wie in Charles Ives' "Three Places in New England", das den Abend eröffnet. Ives rückt mit großem Orchesterapparat geschichtsträchtigen Orten seiner Heimat zuleibe, erfindet ungemein delikate Orchesterklänge. Dennoch will sich frenetischer Applaus erst einstellen, nachdem Kim Beethovens Dritte, die "Eroica", durchs finale "Presto" gejagt hat. Der kurzfristig eingesprungene US-Japaner kennt gerade die Brüche, das Widerständige in Beethovens politischster Sinfonie. Wunderbar unaufgeregt lässt er die Symphoniker aufeinander hören, dass ideale Momente geschehen können. Alles fließt. Und behauptet doch jederzeit den Widerstand gegen Konventionen, der die Musik so revolutionär macht. Die prekären Vorschläge der Kontrabässe im "Marcia funebre" sind eine Wucht, die Hörner überstrahlen das Scherzo, die Streicher sitzen auf den Stuhlkanten. Über allem aber schwingt der Paukist seine Schlägel. Bert Flas entlockt seinem Instrument Klänge, wie man sie sich differenzierter nicht wünschen kann. Große Kunst.

(RP)
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