Düsseldorf GMD-Suche: Elbers möchte wählen können

Düsseldorf · Kulturdezernent Hans-Georg Lohe klärt über die Suche nach dem Nachfolger von Generalmusikdirektor Andrey Boreyko auf.

 Vor dem Absprung: Generalmusikdirektor Andrey Boreyko dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker.

Vor dem Absprung: Generalmusikdirektor Andrey Boreyko dirigiert die Düsseldorfer Symphoniker.

Foto: Susanne Diesner

Zu den vornehmen, zugleich unentbehrlichen Tugenden der Bürokratie zählt die Verschwiegenheit. Zahllose Vorgänge aus dem Bereich der Personalien, die für den Bürger relevant sind, laufen im Geheimen ab, hinter verschlossener Tür, bei Konsultationen, Dienstreisen, Visitationen — bis der Oberbürgermeister, eine Zauberfee oder ein Dezernent vor die Presse treten und den neuen Namen bekanntgeben. Tusch!

Vor dem Tusch kommt natürlich immer das Tuscheln — wer gehört dem Schattenkabinett an, was sagen die Auguren? Auch zur Frage, wer Nachfolger von Andrey Boreyko als Generalmusikdirektor (GMD) der Düsseldorfer Symphoniker werden könne, hat man verschiedene Auskünfte gehört, aber noch keine konkreten, belastbaren. Die kamen jetzt von Kulturdezernent Hans-Georg Lohe, der eine Anfrage unserer Zeitung zur GMD-Findung so beantwortete, dass auch beiläufigen Formulierungen hoher Informationsgehalt beizumessen ist. Man muss solche Mails der Verwaltung zu lesen und der Gefahr ihrer Überinterpretation zu entgehen wissen.

Die Einleitung der Mail ist vage gehalten, aber spitzfindig: Man suche einen Nachfolger, der "als Chefdirigent oder Generalmusikdirektor" die künstlerische Leitung der Düsseldorfer Symphoniker für den Konzertbereich übernimmt. Lohe differenziert: Boreyko ist zwar aktuell GMD, der Nachfolger könne aber nur "Chefdirigent" sein. Weiter heißt es: "Der Stadtspitze liegt dabei sehr daran, dass das hohe künstlerische bzw. musikalische Niveau der Landeshauptstadt nachhaltig gesichert ist." Wer oder was ist die Stadtspitze? Natürlich Oberbürgermeister Dirk Elbers, der auch die städtische Kulturpolitik überwölbend bestimmt: Leucht- und Strahlkraft, Nachhaltigkeit, Rang, Renommee sind seit je wichtige Termini in Elbers' kulturpolitischen Visionen.

Was heißt das alles konkret? "Die Verwaltung sucht gegenwärtig in enger Abstimmung mit dem Intendanten der Tonhalle und dem Orchester nach geeigneten Kandidaten." Diese scheinbar marginale Information ist sehr aufschlussreich. Die Verwaltung "sucht" — sie hat also noch nicht gefunden, der Prozess scheint am Anfang. Sie sucht außerdem nach "geeigneten Kandidaten" — der Plural der Zielpersonen deklariert den Wunsch, eine Auswahl zu haben und sich nicht vorschnell auf einen Einzelnen festlegen zu wollen. Sie sucht, damit Elbers eine gemeinsame Entscheidung dem Stadtrat zur Abstimmung vorlegen kann.

Weiter liest man in Lohes Mail: "Dabei kann auch externer Sachverstand bei der Identifikation von potentiellen Kandidaten einbezogen werden." Dies bedeutet: Den lokal anwesenden Fachleuten traut man, will sich unter Umständen aber nicht allein auf sie verlassen. In welchem Hauptberuf dieses virtuelle Mitglied einer ebenso virtuellen Findungskommission steht, wird nicht gesagt; es kann ein Intendant, ein Agent, ein anderer Musiker oder ein anderer Kenner des internationalen Musiklebens sein.

Sodann schreibt Lohe: "Sollte sich ergeben, dass der gewünschte Kandidat oder die Kandidatin erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar ist, kann es durchaus sein, dass — wie in der Vergangenheit bereits praktiziert — eine oder mehrere Spielzeiten mit Gastdirigenten bestritten werden. In dieser Zeit können auch in Frage kommende Kandidaten eingeladen werden, um das Orchester zu dirigieren." Das liest sich logisch; dem Orchester traut man zu, dass es in der Tonhalle eine Zeit ohne Chef übersteht. Allerdings lassen sich Dirigenten einer gewissen Top-Kategorie nicht mehr offiziell als Kandidaten einladen; sie wollen vielleicht direkt gefragt werden. Außerdem wäre es kühn zu glauben, Dirigenten von Rang könnten in der Spielzeit 2014/15 als Kandidaten eingeladen werden und in der Folgesaison bereits als GMD amtieren.

Freilich bestünde die Kunst der Diplomatie darin, namhafte Dirigenten zu überreden, als Kandidat zu kommen, ohne dass das offiziell so benannt wird. Man könnte von einem Beschnuppern sprechen, das im Fall gegenseitiger Sympathie ausgeweitet wird — auch vertraglich. Diese Sprachregelung könnte funktionieren, denn kein Dirigent will ein Orchester als Chef führen, das er nie dirigiert hat. Für das Orchester gilt das umgekehrt auch. Jedenfalls soll, so Lohe, die Zeit ohne Chef nicht von Dauer sein: "Für die nachhaltige Entwicklung des Orchesters ist allerdings mittelfristig eine klare künstlerische Handschrift eines Chefdirigenten erforderlich."

In den vergangenen Wochen war bei den GMD-Erörterungen mehrfach der Name des schweizerischen Dirigenten Mario Venzago gefallen, der seit Jahren von Intendant Michael Becker regelmäßig eingeladen wird; die beiden kennen einander offenbar schon lange. Ob Venzago durch solches Einvernehmen eine besonders aussichtsreiche Position gewonnen hat, scheint laut Lohes Mail nicht sicher. Er schreibt: "Mario Venzago ist einer der Namen, die vom Orchester auf eine erste Liste gesetzt worden sind." Daraus lässt sich lesen: Es gibt eine "erste Liste". Gibt es auch eine zweite, neuere Liste? Ist die erste Liste Makulatur — oder ein vorläufiges Papier? So könnte man Lohe verstehen, denn obwohl es die "erste Liste" gebe, suche man derzeit "nach geeigneten Kandidaten". Wenn diese "erste Liste" noch von Belang wäre, müsste man nicht suchen, die Kandidaten wären bereits identifiziert.

Der Zeitplan ist also offen. Auf die Bekanntgabe einer Personalie werden wir noch etliche Monate warten müssen. Dass Mario Venzago GMD wird, scheint nach Lohes Mail unwahrscheinlicher denn je.

(RP)
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