Düsseldorf Geigenklänge aus der Unterwelt

Düsseldorf · Die "Klangräume" erschließen ungewöhnliche Orte für die klassische Musik. Diesmal einen Kanal.

 Miro Dobrowolny spielt Geige im Abwasserkanal Golzheim.

Miro Dobrowolny spielt Geige im Abwasserkanal Golzheim.

Foto: Andreas Endermann

Der Raum macht die Musik. Dieser Satz hallt herauf in diesem überraschend kühlen, etwas muffig-feuchten Gewölbe, in dem die Besucher im beinahe völligen Dunkel umhertapsen und den Klängen lauschen, die vom einen bis zum anderen Ende der 200 Meter langen Röhre sechs Meter unter dem Boden umherwabern. Das Festival "Klangräume", das zum vierten Mal neue und neueste Musik an besonderen Orten der Stadt inszeniert, hat sich erneut in den Schau-Kanal im Ortsteil Golzheim verliebt. Hier, wo einst eine Art Überlauf der städtischen Wasser-Unterwelt in den Rhein Überschwemmungen bei Starkregen verhindern sollte, lässt sich ganz wunderbar sinnlich mit neuen Klängen improvisieren.

Miro Dobrowolny, Protagonist im Komponisten-Verein Klangraum 61 und Leiter des Art-Ensemble, empfängt die 15-köpfige Besuchergruppe mit leisen, langsam pulsierenden Geigen-Tönen. In der Badezimmerakustik der Backsteinwände verflechten sie sich innig mit den Sounds, die Theodor Pauß an seinem Elektronik-Mischpult in diese Unterwelt entlässt. Über eine Wendeltreppe ist man in die Röhre hinabgestiegen, an deren Wänden Salze auskristallisieren, Pilzhyphen feine Teppiche spinnen, Wassertropfen an Spinnfäden glitzern, wenn die mitgebrachten Taschenlampen sie beleuchten. Tapsen im Klang, irgendwo abseits der feucht-glitschigen Bodenrinne soll eine Kröte hausen. In den Nischen stehen jetzt Musiker. Cellist Othello Liesmann etwa, der mit Stirnlampe auf einem Podest sitzt und Dobrowolny antwortet, einen verabredeten Tonraum nutzt, die Spieltechniken der Moderne zur Klangmodulation nutzt. Ums Eck bläst Jörgen Löscher in sein Saxophon, in Gummistiefeln unter einem senkrechten Schacht mit Steigeisen, der zum Gullydeckel führt. Wie in der Geisterbahn. An dieser Stelle wabern Streicher und Elektronik nur mehr undeutlich, stattdessen mischen sich gesungene Klänge ins jazzig angehauchte Gebläse. Denn am Ende des Kanalstücks stehen Barbara Beckmann, Hinnerick Bröskamp und Friends und reiben ihre Töne aneinander, hecheln und zischen dazu, spielen mit dem Nachhall vor der schwereisernen Stahltür, die den Schaukanal von der wirklich wasserdurchströmten Unterwelt abschottet.

Man lauscht, ist umfangen von Klang und Raum. Und erquickt, wenn es nach dem Weg zurück in die Schwüle der Oberwelt Wein und viele Gespräche gibt.

(RP)
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