Junges Schauspiel in Düsseldorf „Für Momo muss man zaubern können“

Düsseldorf · Die künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses, Barbara Kantel, spricht über das Weihnachtsmärchen, das am Sonntag im Großen Haus Premiere hat.

 Die künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses Barbara Kantel.

Die künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses Barbara Kantel.

Foto: Schaller,Bernd

Seit 2011 ist Barbara Kantel künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses. Am Sonntag hat das Weihnachtsmärchen im Großen Haus des Schauspielhauses Premiere: Michael Endes "Momo". Barbara Kantel hat die Bühnenfassung geschrieben.

Warum die Geschichte vom sturen Lockenkopf, der es mit den Dieben der Zeit aufnimmt?

Kantel Für uns konnte es dieses Jahr überhaupt kein anderes Stück geben. Das Problem, nicht genug Zeit zu haben, begegnet einem doch überall. Nicht nur bei den Erwachsenen, das ist längst auch ein Thema bei den Kindern. Und wer erzählt besser davon als Michael Ende? Kinder sind heute so verplant, dass ihnen das nicht mehr bleibt, wofür Momo steht: Zuhören können, Zeit füreinander haben, aufeinander zugehen. Außerdem wird Momo in diesem Jahr 40 Jahre alt. Trotzdem ist der Stoff wahnsinnig aktuell, wahrscheinlich aktueller noch als zu seiner Entstehung.

War es schwer, das dicke Buch von Michael Ende in eine Bühnenfassung zu bringen?

Kantel Es ist eine Ironie dieser Geschichte, dass wir ein Stück über Zeitnot in der knappen Zeit eines Theaterabends von höchstens 80 Minuten erzählen müssen. Länger darf das Stück nicht sein, weil wir es ab nächste Woche zweimal am Tag spielen werden und so erzwingen die Abläufe am Theater die Knappheit des Texts.

Gibt es trotzdem leere Zeit in der Inszenierung, in der junge Zuschauer Zeit haben, ihren Gedanken nachzuhängen?

Kantel Ja, das ist uns wichtig. Die Geschichte beginnt ja mit einem Leben, in dem die Menschen noch genügend Zeit haben. Diese luxuriöse Vorstellung bringen wir auch auf die Bühne. Und dann nimmt die Geschichte Fahrt auf, sie erzählt ja auch ein spannendes Abenteuer.

Sie haben die Inszenierung dem freien Regisseur Rüdiger Pape anvertraut — was überzeugt Sie an seiner Handschrift.

Kantel Regisseure, die das Familienstück übernehmen, müssen zaubern, müssen mit einer großen Bühne umgehen können. Das kann Rüdiger Pape, ich habe viele Inszenierungen von ihm gesehen. Wenn man überlegt, wie man von der Zeit erzählt, kommt man sehr schnell auf eine Drehbewegung. Im Großen Haus gibt es eine Drehbühne, die setzt Rüdiger Pape wundervoll ein.

Wenn Sie auf Ihre eigene Zeit am Schauspielhaus blicken, in welche Phasen würden Sie die einteilen?

Kantel Eigentlich haben wir am Haus eine ganz normale Entwicklung erlebt. Wenn man anfängt, ist das erste Jahr von einer Kennenlernhaltung bestimmt. Künstler und Publikum beschnuppern sich, sind vielleicht noch ein wenig distanziert, weil eine neue Leitung manches anders macht als die Vorgänger. Im zweiten Jahr nähert man sich an, das war auch bei uns so, das haben auch die Zahlen gezeigt. Und eigentlich wären wir nun in der Konsolidierungsphase, in der man überlegt, wie es in den nächsten Jahren weitergehen soll. Aber weil die Intendantenfrage am Haus noch immer ungeklärt ist, empfinden wir das nicht so. Wir hängen eher in der Luft, können die nächsten Jahre nicht wirklich bauen und werden auch zu sehr als ein Ensemble in der Schwebe wahrgenommen. Dabei arbeiten wir wie verrückt, produzieren eine Inszenierung nach der anderen.

In der "Beschnupperphase" gab es beim Düsseldorfer Publikum doch auch eine Menge Ablehnung. Woran hat das Ihrer Meinung nach gelegen?

Kantel Ich denke, das war einfach nur eine Fremdheit von beiden Seiten. Wir haben neu angefangen, haben natürlich ganz begeistert betont, was wir alles neu machen wollten. Das ist bei vielen Leute so angekommen, als ob es vorher nicht gut gewesen sei. Wir machen manches anders, aber gar nicht so schrecklich anders, wie es sich vielleicht angehört hat.

Anders ist zum Beispiel geworden, dass es kein Ensemble speziell für das junge Haus mehr gibt, sondern alle Darsteller für alle Bühnen spielen. War das eine gute Idee?

Kantel Ja, das ist eine Aufwertung des Jungen Hauses. Wir sehen keine Hierarchie zwischen dem Großen Haus und dem Theater an der Münsterstraße, alle Darsteller stehen uns zur Verfügung und die Inszenierungen bisher beweisen ja auch, dass das funktioniert. Aber das Ensemble von Stefan Fischer-Fels hatte tatsächlich gute Beziehungen zum Publikum, darum musste der Wechsel wirken wie ein Beziehungsabbruch, obwohl es nicht so gemeint war. In der Stadt ist es leider erst mal so angekommen.

Was wünschen Sie für die Zukunft?

Kantel Dass die Intendantenfrage möglichst schnell entschieden wird. Wir möchten hier gutes Theater machen, sind ein tolles Team — und noch lange nicht fertig.


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