Fotografien aus der Ferne Mit Jimmy Nelson auf Weltreise

Die Galerie Gericke + Paffrath stellt den britischen Fotografen aus, der die entlegensten Orte der Erde und Ureinwohner besucht.

 Drei Frauen in Nepal: Fotografie von Jimmy Nelson.

Drei Frauen in Nepal: Fotografie von Jimmy Nelson.

Foto: Jimmy Nelson / Gericke + Paffrath/Jimmy nelson

Wüsste man es nicht besser, würde man denken: Alles nur Täuschung! So schön kann es nirgendwo auf der Welt sein, wie es uns das Foto aus Nepal weismachen will. Drei Frauen blicken über ein Dorf im Himalaya, eine weite Ebene eröffnet sich vor dem leuchtend weißen Gebirgszug. Tiefe, Farbkraft, Licht und Unendlichkeit fangen sich in einem Motiv, das keiner Zeit gehorcht. Die Frauen in ihren Trachten harren in eigenartigen Positionen, sie wirken wie hineinmontiert in diese Fotografie. Ein Kunstgriff, der aus Schärfentiefe entsteht. Das Foto, denkt man, ist digital bearbeitet, es wirkt außerdem malerisch, wie weichgezeichnet.

Alles falsch. Der britische Fotograf arbeitet nicht digital, er liegt vielmehr geduldig auf der Lauer, um Situation und Licht am Ende perfekt zu komponieren.

 Wer diese Fotos, die gerade die Titelgeschichte des Magazins „Stern“ lieferten, in Echt anschauen will, kann dies in der Carlstadt bei Gericke & Paffrath tun. Und dazu noch eine App aktivieren, die zu den Umständen der Entstehung des Bildes Material liefert. Die beiden Galeristinnen sind auf Umwegen auf den international tätigen Fotokünstler gestoßen. „Wir konnten nicht nein sagen“, erzählt Ariane Paffrath, als ihnen eine Hamburger Kollegin das Projekt andiente. Als Jimmy Nelson einmal seine Arbeiten gehängt hatte und kurz nach seinem Auftritt in der Markus-Lanz-Talkshow vor Ort in Düsseldorf war, war der Publikumszuspruch riesig (auch die Verkaufszahlen sind nicht schlecht).

Manchmal braucht Jimmy Nelson viele Wochen, um einen Ort ausfindig zu machen, den er kennenlernen will. In der sibirischen Eiswüste hat er zwei Monate lang nach einer Gruppe von Tschuktschen Ausschau gehalten, bis er sie endlich traf. Um dann von ihnen zu hören, dass sie nicht fotografiert werden wollten. Auf ihrem Ritt zur Jagd haben die heldenhaft aussehenden Männer abgerichtete Adler dabei, für die es an der menschlichen Schulter extra einen Landeplatz mit Lederschlaufe gibt.

Nelson durfte bei ihnen bleiben für eine Zeit, mit ihnen reisen  und am Ende dann doch Fotos machen. Fotos, die von der Verwegenheit von Mensch und Tier berichten sowie von einer für uns  unvorstellbaren Kälte und Weite.

In Sibirien hat er auf einer anderen Reise das Nomadenvolk der Dolganen bei ihrer Schlittenfahrt durch die Tundra aufgenommen. Hinter einem bemannten Motorschlitten ziehen Rentiere das Eigenheim auf Kufen mit, das ein moderner Iglu mit Schornstein ist. Manchmal geht die Sonne für eine Stunde auf über dem ewigen Eis. Diesen glücklichen Moment hat Nelson erwischt.

Zu jedem der Fotos könnte man eine längere Geschichte erzählen, die von Peru nach Papua Neuguinea führt oder von Mexiko bis Tanzania oder Polynesien. Hat er einmal ein Volk besucht, kehrt er stets ein zweites Mal zurück, um etwas wiederzugeben. Kleine Gaben. Aus diesem Grund hat Nelson eine Stiftung gegründet. Zeigt er seine Fotos, sind die Menschen manchmal begeistert, mitunter aber auch verstört. Es gibt noch Ecken auf der Erde, in denen das Abbild des Menschen nur von der Wasserspiegelung her bekannt ist und Fotos fürs Teufelszeug gehalten werden.

Der in England geborene Fotograf lebt heute mit seiner Frau und drei Kindern in Amsterdam. Oft anzutreffen dürfte er dort nicht sein. Denn er zieht forschend durch die Welt, sein Interesse gehört Völkern, die uns heute in unserer zivilisierten Gesellschaft oft gar nicht mehr real erscheinen. Es sind Menschen mit Stolz, voller Würde, in Anmut und in Schönheit.  Zahlreiche Porträts zeigen dies eins zu eins. Eindringlich.

Vor 30 Jahren fing der Brite Feuer für seine persönliche Art der Welterkundung, als er als junger Mann ein Jahr lang zu Fuß Tibet durchquerte. Während dieser Reise streifte er seine schwierigen Jugenderlebnisse ab wie eine ungeliebte Haut. Die Reise war eine Befreiung. Danach hat er nie mehr aufgehört, nach fremden Ländern und Menschen zu suchen und bis heute rund 13 ebenso strapaziöse wie forschende und beglückende Reisen in mehr als 40 Länder unternommen.

Die verborgensten Winkel der Erde hat er aufgesucht, stets seine bald 50 Jahre alte Plattenkamera im Gepäck. Jimmy Nelson erfüllt sich einen Lebenstraum mit der Arbeit, die internationale Beachtung und Anerkennung findet. Gleichzeitig will er das Bewusstsein für die Vielfalt und die Wurzeln der Menschheit schaffen.

Es sind erzählende, berichtende, nicht wertende, aber glücklich stimmende Fotos. Bilder zum Nachdenken und Staunen.

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