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„Die Jungfrau von Orléans“ in Düsseldorf Liebe am Rande des Schlachtfelds

Düsseldorf · „Die Jungfrau von Orléans“ von Peter Tschaikowsky wird in der Düsseldorfer Oper zum ersten Mal auf die Bühne gebracht. Maria Kataeva singt die Mezzo-Titelpartie der sperrigen Heldin.

 Probeaufnahme von „Die Jungfrau von Orléans“ mit Maria Kataeva (Johanna von Orléans) und Sergej Khomov (König Karl VIII.).

Probeaufnahme von „Die Jungfrau von Orléans“ mit Maria Kataeva (Johanna von Orléans) und Sergej Khomov (König Karl VIII.).

Foto: Daniel Senzek

Das ist eine Oper, in der Schillers Tragödie und Tschaikowskys Musik zusammenfließen: „Die Jungfrau von Orléans“. Selten aufgeführt, und noch nie in Düsseldorf auf der Bühne, feiert die Oper am Samstag Premiere. Regisseurin Elisabeth Stöppler, die vor einem Jahr das „Weihnachtsoratorium“ inszenierte, hat sich des Historiendramas angenommen.

Warum aber ist dieses Werk eine solche Rarität? „Das habe ich mich auch gefragt“, antwortet sie und liefert mögliche Erklärungen: „Die Oper muss hochkarätig besetzt werden, die Figuren sind wahnsinnig anspruchsvoll – gesungene Schiller’sche Charakterrollen.“ Auch die Besetzung mit einem Mezzosopran in der Titelpartie sei ungewöhnlich und mit hohen Anforderungen verbunden.

Maria Kataeva als sperrige Heldin und unzugängliche Kriegstreiberin, die sich manisch ihren Visionen verschreibt, hält Stöppler für einen Glücksfall. Nicht nur wegen ihrer russischen Muttersprache. Die Sängerin stammt aus Sibirien. Sie kenne diese ferne Heimat, diese abgelegene Welt, in der sich auch Johanna bewegt, trage wie sie das Schmerzliche, Suchende und Ruhelose in sich. „Vor allem aber ist sie eine Hammer-Sängerin“, schwärmt die Regisseurin, „die singt das nur so weg. Maria ist mit ihrer körperlichen Heftigkeit wie geschnitzt für die Rolle.“

Überhaupt hätten alle Figuren sehr viel Fleisch und konnten mit einigen weiteren russischen Ensemblemitgliedern treffend besetzt werden. „Die Jungfrau von Orléans“ ordnet Elisabeth Stöppler als Oper für Einsteiger ein. Ganz bewusst habe sie versucht, die Handlung unsentimental, klar und geradlinig zu erzählen, damit man die verschiedenen hochkomplexen Ebenen gut verstehe. Richtig durchschauen könne man Johanna kaum, sie sei mehr Antiheldin als Heldin und bewahre stets etwas Geheimnisvolles. „Ich hatte sofort Lust auf diese Inszenierung“, sagt die Regisseurin. „Die Musikdramaturgie ist spannend und erleuchtend, sie hat mich gleich gefangen genommen. Ein dichtes, kompaktes, kondensiertes Stück. Beim erstmaligen Hören“, schränkt sie ein, „war ich mir noch nicht so sicher. Doch am Schluss spürte ich, welche unglaubliche Qualität dieses spektrale Werk von Tschaikowsky hat.“

Es klingen verschiedene Orchestersprachen mit multipler Wirkung an. Manches erinnert an Verdi, manches an Wagner, dessen Melodien bisweilen einer Filmmusik ähneln. Jedes der sechs Bilder beginnt mit orchestralen Zwischenspielen von drei Minuten Länge. Im klassischen Sinn als Umbaumusik gedacht, treiben sie hier die Handlung fort.

Das reduzierte Bühnenbild von Annika Haller stellt eine Kirche am Rande des Schlachtfelds dar. „Zunächst bloß ein Sammelbecken, wird sie immer mehr zum Schutzraum vor dem Krieg. Die Kirche hält die Menschen zusammen, jenseits aller Religionen“, erläutert Stöppler.

Anders als bei Schiller, wo die Jungfrau immer statischer und fokussierter wird, durchlebt sie in der Oper eine Entwicklung, die im zweiten Teil deutlich aufgebrochen wird. Tschaikowsky, der die Handlung stark mit der Historie verschränkt, gönnt ihr eine Liebesarie mit Lionel, dem feindlichen Soldaten. „Als er erschossen wird, geht sie fast wie bei einem Sühnegang auf den Scheiterhaufen“, beschreibt Elisabeth Stöppler. Durch diesen Kniff, das Bekenntnis zur Liebe, wandelt sich das Stück zur romantischen Tragödie, und Lionels Tod bekommt seinen Sinn.

Hierbei spielt der Chor eine entscheidende Rolle. „Unsere Inszenierung wird von ihm getragen“, sagt sie. „Johanna verstummt, der Chor tritt an ihre Stelle und spricht für sie. Es wird immer emotionaler, und am Ende, so deuten wir es, gehen eigentlich alle durchs Feuer.“

Weiß man, was Tschaikowsky an Jeanne d’Arc faszinierte? „In ihr sah er seine Heroine, er setzte sich stark mit ihr auseinander und identifizierte sich mit ihr. Er war ein hochsensibles, frühreifes Kind mit halb-französischer Erziehung“, erklärt die Regisseurin. „Bereits mit 14 Jahren widmete er ihr ein Gedicht.“ Später wurde aus ihm ein unglücklicher Mann, der seine Homosexualität nicht ausleben konnte. Ein Außenseiter, depressiv und verzweifelt. „Die Jungfrau von Orléans“ – 1881 in St. Petersburg uraufgeführt – habe etwas Testamentarisches an sich, sagt Elisabeth Stöppler. „Sie hat den Charakter eines Requiems, man hat das Gefühl, als gäbe der Komponist damit auch seinem eigenen Schmerz eine Bühne.“

Jede Diskussion, ob man in Zeiten der russischen Barbarei Tschaikowsky spielen dürfe, war in Düsseldorf schnell vom Tisch. Gleichwohl sei die Erkenntnis schmerzhaft, „dass diese schöne russische Sprache jetzt die Sprache des Aggressors ist. Aber gerade deshalb finde ich es wichtig, sie zu hören“, bekräftigt sie. „Für mich ist es das Stück der Stunde.“

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