Düsseldorfer Kunstszene "Eine gute Stadt für freie Künstler"

Düsseldorf · Christoph Seeger-Zurmühlen war bis zum Intendantenwechsel einer der beliebtesten Darsteller am Jungen Schauspielhaus. Inzwischen hat er sich selbstständig gemacht und tritt mit seiner freien Gruppe "Per.Vers" beim neuen Asphalt-Festival auf. Eine Begegnung.

Regisseur, Schauspieler und Festivalgründer Christoph Seeger-Zurmühlen vor einer Mauer auf dem Gelände der ehemaligen Brotfabrik an der Rondsdorfer Straße 77a - Hauptspielort des Asphalt-Festivals.

Regisseur, Schauspieler und Festivalgründer Christoph Seeger-Zurmühlen vor einer Mauer auf dem Gelände der ehemaligen Brotfabrik an der Rondsdorfer Straße 77a - Hauptspielort des Asphalt-Festivals.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Er war ein unglaublich flinkes Pferd auf Plateauschuhen im Weihnachtsmärchen "Mio, mein Mio". Oder Artusritter Gawan in einer modernen Version von Parzifal. Am Jungen Schauspielhaus hat Christoph Seeger-Zurmühlen außerdem inszeniert — "Aschenputtel" zum Beispiel und "Lilliom". Dann wechselte die Intendanz und der beliebte Darsteller verließ die Bühne — nicht aber die Stadt.

Christoph Seeger-Zurmühlen hat sich selbstständig gemacht. "Düsseldorf ist ein guter Ort für Theatermacher", sagt er, "es gibt hier noch Nischen für freie Künstler, großartige Spielorte und ein offenes Publikum." Schon während seiner Zeit am Stadttheater hat er eine eigene Theatergruppe gegründet, war mit "Per.Vers" unter anderem beim Altstadtherbst zu erleben. Jetzt steht eine weitere Premiere an: Seeger-Zurmühlen hat mit dem Düsseldorfer Komponisten Bojan Vuletic das neue Sommer-Festival "Asphalt" gegründet und zeigt dort das nächste Stück seines Theaterkollektivs: "Einzelzimmer" nach Monologen von Dea Loher, Esther Gerritsen und Jean Tardieu.

Die Theatermacher nutzen dazu Räume der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung in der ehemaligen Brotfabrik an der Ronsdorfer Straße. Verwitterte Räume sind das zum Teil, die zum Theatermachen locken. "Wir haben die Räume gesehen und wussten sofort, dass unser Stück dazu passen würde", sagt Christoph Seeger-Zurmühlen (36) und steigt eine Eisentreppe hinauf. Im schummrigen Saal oben stehen noch zwei Knetmaschinen, eine Scheibe ist zerbrochen — man kann sich sofort vorstellen, dass in diesem düster-brüchigen Raum von Menschen die Rede sein wird, die in ihren Leben steckengeblieben sind. Um Menschen, die sich fühlen wie im Hamsterrad und den Ausstieg nicht finden. Darum geht es in "Einzelzimmer", das heute Abend beim Asphalt-Festival Premiere haben wird.

Es ist Seeger-Zurmühlens dritte Regiearbeit, seit er das Ensemble am Jungen Schauspielhaus verlassen hat. Davor hat er am Landestheater Neuss und dem Consol-Theater Gelsenkirchen gearbeitet. "Für mich kam der Intendantenwechsel genau zur richtigen Zeit", sagt Seeger-Zurmühlen. "Acht Jahre am Jungen Schauspielhaus waren eine gute, lehrreiche Zeit, aber jetzt möchte ich meine eigenen Projekte verwirklichen."

Mut hat ihn der Ausstieg aus der Festanstellung, der ein Einstieg in die freie künstlerische Arbeit war, schon gekostet. Denn selbst professionelle Künstler wie er können von der Arbeit in der freien Szene kaum leben. Doch Seeger-Zurmühlen ist die künstlerische Freiheit dieses Risiko wert. Theater war für ihn schon immer so ein Raum, in dem er sich entfalten konnte. Schon als Jugendlicher hat er das so empfunden. "Ich habe mich in der Schule oft sehr einsam gefühlt, obwohl ich kein Einzelgänger war", erzählt er, "das hat sich in der elften Klasse schlagartig verändert, als ich angefangen habe, Theater zu spielen — das hat mein Leben verändert." Aufgewachsen ist Seeger-Zurmühlen im Schwarzwald — "tief im dunklen Wald", sagt er, "wie im Märchen." Märchenhaft war das trotzdem nicht, eher ein wenig einsam. Die Familie lebte in einem abgelegenen Hof, der Schulweg mit Fahrrad und Bus war weit. Seeger-Zurmühlen ist ein Hippie-Kind. Geboren wurde er in Afrika, dort haben seine Eltern Jahre gelebt, haben mit einem VW-Bus mehrere Länder bereist — bis ihnen die politische Lage zu heikel wurde. Die Freiheitsliebe liegt also in der Familie. Trotzdem studierte Seeger-Zurmühlen auch den Eltern zuliebe zunächst auf Lehramt, bevor er in Köln an eine Schauspielschule ging.

2003 machte er seinen Abschluss, kam ans Junge Schauspielhaus, erlebte seine erste Premiere — und erwachte bei der ersten Vorstellung am Montag danach in der Realität. Dass Kinder und Jugendliche nicht nur lautstark auf Theater reagieren, sondern die Darsteller auch mit Sprüchen provozieren, hatte er nicht erwartet. "Das habe ich anfangs alles persönlich genommen oder auch als Angriff auf meine Mitspieler verstanden", sagt er, streicht sich die Haare aus der Stirn und lächelt. Statt zu fliehen, blieb er acht Jahre und kann sich gut vorstellen, auch einmal wieder an einer solchen Institution zu spielen. Aber erst will er eine dieser Nischen für freie Kunst besetzen, Theater auf den Asphalt der Stadt bringen. Heute Abend geht es los.

(RP)
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