Düsseldorf Eine getanzte Hommage an Beethoven

Düsseldorf · Die Kölner Kompagnie "Mouvoir" studiert im Tanzhaus ihre neue Produktion "Bronze by Gold" von Stephanie Thiersch ein.

Unter transparenten weißen Segeln dehnen und strecken sich sieben Tänzer. Sie wedeln mit den Armen, hüpfen auf der Stelle oder rollen geschmeidig über den Boden. Ein finales Aufwärmen für die Probe zu "Bronze by Gold" im Tanzhaus NRW, der neuen Produktion von Stephanie Thiersch. Eng umringt von ihrer Kompagnie, gibt die Choreografin und Regisseurin letzte Anweisungen. Fast flüstert sie.

Dann streifen sich die Tänzer mit äußerster Vorsicht goldene und weiße Leibchen aus Papier über. Es knistert allenthalben, so dass man fürchtet, die dünnen Hüllen würden sofort zerreißen. Stephanie Thiersch legt hier und da Hand an und überprüft den akkuraten Sitz der Oberteile. Sie nimmt ihren Platz auf der Zuschauerbühne ein und ruft: "On position please! Let's go!" Die Probe kann beginnen.

In Düsseldorf wird "Bronze by Gold" erst im Herbst zu sehen sein. Aber schon bald findet in Berlin die Premiere statt. Das renommierte Internationale Festival "Tanz im August" ist einer der Ko-Produzenten des Balletts, wie auch das "tanzhaus nrw" oder das Beethovenfest in Bonn, bei dem es im Oktober zwei Aufführungen gibt. Als Hommage an den Komponisten wählte Stephanie Thiersch dessen "Große Fuge op. 133" aus. Zunächst aber kommt Dj Elephant Power mit ungestümen elektronischen Klängen zum Zuge.

Die Tänzer zucken, zappeln und winden sich, als hätte sie ein Stromschlag getroffen. Längst liegen die Leibchen zerfetzt am Boden. Plötzlich bricht die Musik ab, die Bewegungen frieren fest. Dann setzt Ludwig van Beethovens großartiges und berührendes Werk ein. Das Asasello-Quartett, seit 2013 mit Stephanie Thiersch künstlerisch verbunden, rollt auf einem kleinen Podest herbei. Die winzige Bühne wird hin und her geschoben, von den Tänzern geentert und in die Choreographie einbezogen.

Man wundert sich, dass die Streicher in dieser drangvollen Enge noch spielen können. Assoziationen an ein überfülltes Boot kommen auf, das zur rettenden Insel für Schiffbrüchige wird. Stephanie Thiersch gelingen magische Momente und Bilder mit soghafter Wirkung. "Ich bin ein visueller Mensch", bestätigt sie. Und obwohl sie außer Tanz auch Literatur studiert hat, mag sie sich bei ihren Arbeiten nicht auf die Sprache verlassen. "Worte können trügerisch sein", glaubt sie und rückt lieber den Dreiklang Bilder, Bewegung und Musik in den Fokus. Beethovens eindringliche Schöpfung konfrontiert sie mit dem wuchtigen Tonteppich "Torso V" von Márton Illés und den wilden Klängen des Japaners Hikari Kiyama.

Der Titel "Bronze by Gold" ist eine Ableitung des gleichnamigen Kapitels aus dem Roman "Ulysses" von James Joyce. Auch den Sirenengesängen der Odysseus-Sage kommt eine Bedeutung zu. "Was passiert, wenn aus überbordender musikalischer Energie Überforderung wird?" fragt Stephanie Thiersch und fixiert damit das zentrale Thema ihres Balletts. Rauschhafte körperliche und seelische Zustände interessieren sie, Schieflagen des Menschen, die nicht eindeutig zu erfassen sind.

Zu ihrer Handschrift gehört auch, dass sich die Musiker unter die Tänzer mischen und mit ihnen eine homogene Einheit bilden. Die 1970 in Wiesbaden geborene Choreographin hat eine klassische Ballett-Ausbildung. Sie wechselte allerdings recht früh die Seiten und verlegte sich auf die Inszenierung schillernder Projekte.

Im Jahr 2000 gründete sie dann in Köln das Ensemble "Mouvoir", in dem zeitweise schon bis zu 17 Nationen vereint waren. Viele Tänzer bleiben über Jahre dabei, andere kommen neu dazu und werden bei Auditions und Workshops ausgewählt.

"Dabei lernt man sich meist ausreichend gut kennen", sagt sie. "Manchmal folge ich auch nur meiner Intuition." Stephanie Thiersch, mit dem Düsseldorfer Tanzhaus NRW seit zehn Jahren eng verbunden, ist zwar Chefin und Regisseurin der Kompagnie, versteht ihren Part als Choreografin aber demokratisch.

"Die Vorgaben sind von mir, präzise Schrittfolgen gibt es dabei aber zunächst nicht. Das Material wird kollektiv zusammengetragen", beschreibt sie ihre Arbeitsweise. "Ich lasse die Tänzer frei improvisieren. Passagen, die am besten ins Bild passen, werden übernommen und später vertieft."

(RP)
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