Stefan Bachmann Und Wilfried Schulz "Ein Oberbürgermeister in Trump-Manier"

Düsseldorf · Die Intendanten aus Köln und Düsseldorf schenken sich gegenseitig ein Stück. Sie haben ein Problem: Ihre Häuser werden saniert.

Sie kennen einander seit vielen Jahren, haben als Regisseur und Dramaturg zusammen gearbeitet: Stefan Bachmann und Wilfried Schulz. Nun machen der Kölner und der Düsseldorfer Intendant wieder gemeinsame Sache - sie schicken jeweils eine eigene Inszenierung ans Theater des Kollegen. Ein Gespräch über Kunst als Geschenk, Interimsspielstätten und das Heldentum von Intendanten.

Sie schicken ihre Ensembles zwischen Köln und Düsseldorf auf die Piste. Warum ermuntern sie nicht das Publikum, die Nachbarstädte zu besuchen?

Bachmann Um den Spritverbrauch niedrig zu halten (lacht). Nein, wir möchten einander beschenken. Natürlich sind wir Konkurrenten, aber es wäre doch traurig, wenn wir tolle Inszenierungen, die auch die Nachbarstadt interessieren könnten, nicht weitergäben.

Fürchten Sie nicht, dass das Spargelüste bei den Stadtoberen wecken könnte?

Schulz Nein, gar nicht. Wir wissen, dass sich Theaterpublikum kaum zwischen Städten bewegt. Außerdem empfanden wir es als absurd, dass wir gerade jetzt, da wir als Intendanten Nachbarn geworden sind, nichts miteinander unternehmen. Natürlich wollten wir uns auch von der blöden, klischierten Konkurrenzsituation zwischen beiden Städten nicht aufhalten lassen. Es geht also nicht darum, ein Sparmodell zu entwickeln, sondern einander zu beschenken, Spielpläne zu bereichern, in einer lustvollen und ökonomisch sinnvollen Form.

Wäre das ausbaufähig?

Schulz Wir fangen erst mal mit einer Inszenierung an, die Premieren finden am selben Abend statt und wir Intendanten werden hin und her fahren, um dem Publikum in beiden Städten zu begegnen. Natürlich sind noch andere Ideen denkbar vom Projekt auf dem Rheinschiff bis hin zu einer gemeinsamen Inszenierung oder einem zweigeteilten Abend, der an beiden Häusern läuft. Da würde uns künstlerisch vieles reizen.

Sie haben ja schon die Bibel auf die Bühne gebracht, Herr Bachmann . . .

Bachmann (lacht) Ja, Sie meinen, das wäre ein toller zweigeteilter Abend, Altes Testament in Köln, Neues Testament in Düsseldorf.

Erst mal haben Sie mit "Der Revisor" und den "Geschichten aus dem Wienerwald" zwei Stücke ausgewählt, die völkstümlich daherkommen, aber böse mit dem Spießbürgertum abrechnen. Ist das Zufall?

Bachmann Nein, wir haben tatsächlich zwei genreverwandte Stücke gesucht, die zueinander passen. Es geht in beiden um eine korrupte, miefige Kleinbürgergesellschaft. Wir haben diese Stücke sicher beide als Stachel in den Spielplan gesetzt, und diese Stachel tauschen wir nun aus.

Sie haben beide Erfahrung im Ringen mit der Stadt, in der sie Intendant geworden sind, beide müssen sie derzeit in Interimsspielstätten arbeiten, beide habe Sie Ihre Intendanzen unter anderen Voraussetzungen angetreten. Schweißt das zusammen?

Schulz Wir arbeiten beide in Provisorien, tuckern auf unkalkulierbaren Zeitachsen herum, natürlich haben wir uns darüber ausgetauscht. Intendanten ohne Häuser - da kennen wir uns aus.

In beiden Städten sind Sanierungen verschleppt worden.

Schulz Man kann sicher sagen, dass Kommunen sich allgemein mit all den Planungsregularien und Ausschreibungsmodalitäten schwertun. Inzwischen wissen Intendanten seltsame Dinge, wie zum Beispiel die Kategorien, nach denen europäisch ausgeschrieben werden muss.

Bachmann Nicht alle Intendanten, aber wir schon. (beide lachen)

Schulz Es gibt jedenfalls ein paar Parameter, Investoreninteressen, Ehrlichkeit in der politischen Diskussion, Mechanismen der öffentlichen Finanzierung und so weiter, die öffentliches Bauen schwierig machen, wie man ja auch bei der Elbphilharmonie gesehen hat.

Bachmann Es wäre jedenfalls sinnvoll, eine Bestandsaufnahme des Scheiterns anzulegen, damit nicht alle Städte dieselben Probleme bekommen. Ich glaube auch, dass es ein Fehler ist, wenn die Politik sich nicht traut, den Bürgern von Anfang an zu sagen, wie viel Geld bestimmte Sanierungen kosten. In solchen Momenten muss man Haltung zeigen und sagen, Kultur ist uns wichtig.

Köln gibt für die Sanierung von Schauspiel und Oper mehr als 400 Millionen Euro aus, in Düsseldorf haben 40 Millionen dafür gesorgt, dass das Schauspielhaus als Theater in Frage gestellt wurde. Wie haben Sie das in Köln wahrgenommen?

Bachmann Es hat mich empört. Das war ein Tabubruch. Es ist fahrlässig, wenn ein Oberbürgermeister in Trump-Manier oder Twittermanie solche Luftballons steigen lässt, nur um zu testen, wie die Stimmung ist. So kam mir das vor. Ich halte das für gefährliche Spiele. Ich glaube, dass wir in eine Zeit geraten, in der öffentliche Orte der differenzierten Auseinandersetzung und Reflexion extrem wichtig werden. Die werden sich noch mal mit einer ganz anderen Brisanz aufladen. Theater ermöglicht entschleunigten Diskurs, das ist das Gegenteil von Twitterpolitik.

Schulz Ich glaube, dass die Politik noch begreifen wird, welche Bedeutung heute und in Zukunft Kultureinrichtungen wie Theater, Museen, Musikhochschulen für die Gesellschaft haben. Zivilisation wird durch Kunst und Kultur zusammengehalten. Die Politik steht ja selbst unter hohem Legitimationsdruck. Auch sie braucht diese Räume, in denen friedlicher, nachdenklicher, produktiver Diskurs gepflegt wird.

Herr Bachmann, sie arbeiten schon länger in einem Provisorium, was raten Sie Herrn Schulz?

Bachmann Für mich war es nach den anfänglichen Kämpfen wichtig, mich irgendwann umzupolen. Mir selbst zu sagen, ich bin nicht der Wartende, der Verlierer, auch nicht der Betrogene, sondern ich mache hier aktiv Theater unter den Bedingungen, die ich mir erkämpft habe. Unsere Interimsspielstätte in Mülheim hat eine sehr urbane, coole Ausstrahlung, wir spielen auf demselben Industriebeton, auf dem die Leute draußen parken. Es gibt hier keine Schwelle mehr hin zur Kunst, das ist auch ein Reiz.

Schulz In Düsseldorf ist die Situation anders. Das Investitionsvolumen ist viel geringer, aber wir haben uns im Herbst über das Ziel der Sanierung auseinandersetzen müssen, das war schwierig. Darum setzen wir jetzt Zeichen: Im Frühjahr wird Robert Wilson im Großen Haus inszenieren, und wir halten weiter daran fest, dass wir im Herbst 2018 in unser Stammhaus zurückkehren. Das hat uns sehr mit dem Publikum verbunden, die Rückeroberung des Schauspielhauses ist unser gemeinsames Ziel.

Was hören Sie dazu von der Stadt?

Schulz Es haben sich jetzt erst mal alle an die Arbeit gemacht. Am Kö-Bogen wird die Erde bewegt, im Haus läuft die technische Sanierung im Zeitplan, die Planung für Dach und Fassade wird ausgeschrieben. Doch um diese Kosten wird es wieder eine Diskussion geben. Ich hatte gehofft, wir könnten irgendwann den Gordischen Knoten durchtrennen, gemeinsam mit der Politik daran arbeiten, das Schauspielhaus zukunftssicher zu machen, einen Schulterschluss finden.

Bachmann Mit Rückeroberungsstrategien habe ich auch Erfahrung. Wir haben gerade erst die neue Studiobühne auf dem Offenbachplatz vorzeitig in Betrieb genommen. Das war ein harter Kampf, Bauzäune mussten verlegt werden, aber wir haben der Stadt damit einen anderen Blick auf die Baustelle eröffnet. Allein für diesen Kollateralgewinn hat es sich gelohnt.

Schulz Man muss eine innere Haltung gewinnen, wenn man diese Prozesse durchhalten will. Ich habe inzwischen innerlich akzeptiert, dass es Aufgabe meiner ersten Intendanz in Düsseldorf ist, überhaupt wieder ein großes, zukunftsfähiges Schauspielhaus in der Landeshauptstadt zu schaffen. Der Gordische Knoten ist offensichtlich nicht mit einem Schlag zu durchhauen, es bleibt ein schwieriger Weg.

Bachmann Das ist unser Heldentum. Wir sorgen für das Überleben von zwei bedeutenden Häusern, die strukturell in die Krise geraten sind, und bewahren sie für die Zukunft. Das ist unsere gesellschaftliche Verantwortung - und es macht durchaus Freude, die zu übernehmen.

(dok)
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