Interview mit Beat Wismer "Ein Museum ist kein Warenhaus"

Das Museum Kunstpalast feiert in dieser Woche 100. Geburtstag. 2012 war ein erfolgreiches Jahr dank El Greco und Andreas Gursky. Der Generaldirektor glaubt an die Zukunft, denn nur im Museum ist die Begegnung mit dem Original möglich.

 Zweite Amtszeit: Generaldirektor Beat Wismer vor F. W. von Schadows Triptychon "Das Jüngste Gericht".

Zweite Amtszeit: Generaldirektor Beat Wismer vor F. W. von Schadows Triptychon "Das Jüngste Gericht".

Foto: Endermann

Düsseldorf Im sechsten Jahr leitet der Schweizer Beat Wismer (60) das Museum Kunstpalast in Düsseldorf, das in den 100 Jahren seiner Geschichte große Umbrüche erlebt hat. Die größte Herausforderung für die Zukunft ist neben den aktuellen Sparzwängen die digitale Revolution, die unser Sehen rasant verändert wie auch unsere Gewohnheiten im Umgang mit Bildern. Darüber sprachen wir mit dem Generaldirektor, der davon überzeugt ist, dass die Menschen weiterhin dem Museum ihre Treue halten werden.

Wird es in 100 Jahren noch dieses Museum geben?

wismer Es wird nach wie vor das Museum geben, es wird die Leute nur etwas anders anlocken, die Vermittlung wird moderner ausfallen. Doch ich bin guten Mutes, dass die Begegnung mit dem Original nach wie vor die Attraktion des Museums sein wird. Man kann sich immerhin im Museum mit Meisterwerken an der Wand unterhalten.

Welchen Bedeutungswandel hat das Museum Kunstpalast in den 100 Jahren seiner Geschichte erlebt?

wismer Es ist im Laufe der Zeit viel näher an die Gegenwart herangerückt. Es gab 1913 in diesem Haus kaum Werke aus dem Jahr 1913, man sammelte damals alte Kulturgüter. Heute haben wir einen anderen Anspruch an das Museum, wir wollen auch neue aktuelle Kunst sehen.

Was hat sich an der Art der Rezeption geändert, jetzt, da die digitalen Medien immer dominanter werden?

wismer Es brechen immer noch ganze Familien so wie früher zum Museumsbesuch auf, aber vielleicht hat man damals genauer geguckt. Heute wollen die Leute ihre Erinnerungen, das Gesehene in Form von Handyfotos, Postkarten, Katalogen mit nach Hause tragen und dann auf die Bilder schauen.

Wie bewerten Sie das?

Wismer Das ist weder gut noch schlecht. Aber es bleibt unsere Aufgabe, die Leute zur Auseinandersetzung mit dem Original zu verführen. Jeder sollte sein eigenes Gespräch mit dem Werk finden. Wir stellen die Möglichkeiten zur Verfügung.

Sind Museen bald zu teuer?

wismer Was wirklich neu ist, ist der sehr starke Publikumserfolgsdruck. Das bringt die Gefahr mit sich, dass wir eine Schere im Kopf haben und gewisse Projekte nicht einmal mehr wagen anzudenken, weil wir ahnen, das interessiert nicht die ganz große Masse. Ich glaube, man darf auch künftig nicht alleine vom Publikumsgeschmack ausgehen, sondern man muss eine Balance herstellen, die beides möglich macht: neben den Erfolgsgaranten die wichtigen Neuentdeckungen für Liebhaber platzieren. Ein Museum ist kein Warenhaus. Wir müssen nicht massenkonform sein.

Was spricht heute für Blockbuster?

Wismer Dank des Namens von El Greco haben wir eine konzeptionell anspruchsvolle Themenausstellung realisieren können und ihn mit modernen Künstlern gemeinsam ausgestellt. Interessant ist zudem, dass man, wie wir es bei der Andreas-Gursky-Ausstellung gesehen haben, mit einem lebenden zeitgenössischen Fotografen sehr viele Besucher anziehen kann.

Sie bereisen die Museen der Welt, mit denen Sie in regem Austausch stehen. Welche Strahlkraft hat auf dieser Landkarte der Kunstpalast?

Wismer Unsere Werke sind in aller Welt unterwegs. Es ist großartig, wenn wir mit unserer Sammlung in Japan oder Australien präsent sind. Eines unserer ganz wertvollen Bilder hängt jetzt in der Bonner Kleopatra-Ausstellung. Fachleute aus der ganzen Welt kommen zu uns. Wer als interessierter Tourist in die Kunststadt Düsseldorf kommt, der kommt auch zu uns.

Welches ist Ihr Lieblingsort im Museum Kunstpalast?

Wismer Das ändert sich immer. Er liegt in der Sammlung.

Und Ihr Lieblingswerk?

Wismer Zu viele! Den ,Heiligen Franziskus' von Zurbarán, Cranachs ,Ungleiches Liebespaar' mag ich auch sehr. Immer wieder hinreißend finde ich Ben Nicholson.

Welches war Ihre gelungenste Ausstellung in sechs Jahren?

wismer Da muss ich wieder El Greco und die Moderne nennen, die Ausstellung, an der ich gedanklich vom ersten Tag an in Düsseldorf gearbeitet habe. Das war vom Anspruch her ein Griff nach den Sternen, wurde aber ein großer Erfolg: 182 000 Menschen haben immerhin diese Schau besucht.

Welcher Kommentar zu Ihrem Haus erfreut Sie am meisten?

wismer Wenn ich höre, dass es im Ehrenhof lebendig ist. Dass wir gut mit der Sammlung umgehen und dass hier ein frischer Wind weht.

Ist es eigentlich Ihr Traumjob, Direktor an diesem Haus zu sein?

wismer Es ist ein guter Job, weil man Sinnvolles tun kann. Träumen kann man immer noch. Die Arbeit mit der Kunst, das Weitergeben und Bewahren von kulturellen Objekten scheint mir gerade in unserer Zeit sehr wichtig. Das Haus ist gut aufgestellt. Wir haben in der Vergangenheit viel geleistet, und man erwartet auch in der Zukunft viel von uns.

Was wünschen Sie sich zum 100. Geburtstag des Museums?

wismer Ich habe mich mal um einen Mondrian für die Sammlung bemüht — das wäre sehr schön und für unsere Abteilung konstruktive Kunst eine hochkarätige Ergänzung!

Und für das Haus?

wismer Eine Zukunft ohne Baugerüste und ein sehr zufriedenes Publikum, das sowohl in die Ausstellungen als auch in die Sammlung geht. Sehr wünschenswert ist eine attraktive Gastronomie — ein Restaurant mit Bar. Mit anderen Worten: Ich wünsche mir einen belebten Ehrenhof und Bürger, die ausrufen, ,Wow! Haben wir ein schönes Museum'.

(RP)
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