Düsseldorf Düsseldorfer Zero-Künstler 2014 in New York

Düsseldorf · Dem Neuanfang der 1950er Jahre widmet das Guggenheim-Museum eine Retrospektive. Ein Gespräch mit Zero-Gründer Heinz Mack.

 Der Künstler Heinz Mack (82) inmitten grafischer Arbeiten, die er im Museum Kunstpalast zeigte. Zum Teil nimmt er wieder Bezug auf seine Zero-Arbeiten.

Der Künstler Heinz Mack (82) inmitten grafischer Arbeiten, die er im Museum Kunstpalast zeigte. Zum Teil nimmt er wieder Bezug auf seine Zero-Arbeiten.

Foto: Horst Ossinger

1958 war eine Stunde null für Heinz Mack und Otto Piene. Sie gründeten die Gruppe Zero, um alles Dagewesene zu vergessen, den Ballast des Zweiten Weltkriegs, die Traumata abzuwerfen. 1961 stieß Günther Uecker hinzu. Bis 1966 blieb man zusammen. Man strebte Katharsis an, wollte die Reduktion künstlerischer Mittel so weit wie möglich betreiben, neue Räume und Folien schaffen, in denen andere Regeln gültig sein sollten. Licht, Raum und Bewegung zogen ein in die Kunst. Anfangs gab es wenig Farbe, viel Kühnheit des Geistes.

2014 wird das New Yorker Guggenheim-Museum eine Retrospektive zeigen; auch die drei Protagonisten aus Düsseldorf werden vor Ort sein. Im Gespräch mit Heinz Mack erfahren wir, wie Zero begann. Als er sich mit 19 Jahren an der Akademie in Düsseldorf einschrieb, gab es außer Ewald Mataré keinen Lehrer, den man modern hätte nennen können. Mack zog es nach Paris, wo er neben Picasso und Matisse auch Miró entdeckte, dessen Name in der Kunstakademie nicht einmal bekannt war. Er habe sich damals in einer existenziellen Krise befunden, erzählt der 82-Jährige, alles, was er gelernt und geleistet hatte, erschien ihm fragwürdig. War er Bildhauer oder Maler? Er ließ sich aus seiner Beamtenstellung als Kunstlehrer entbinden. Acht Tage nach dem letzten Schultag war er in New York, wo er zwei Jahre blieb.

Aus den Zweifeln wuchs eine Art Verzweiflung, sagt Mack. "Wie jemand, der von allem zu viel gegessen hatte, wollte ich dann gar nichts mehr essen. Dieser Askese folgte aber bald ein Hunger nach etwas Einfachem." Das Gebot "less is more" war damals sehr angesagt, in dem auch für Mack eine Art Hoffnung mitschwang.

Es waren die Kriegsereignisse, die den Künstler inspiriert hatten, das Licht in seine Werke einzubeziehen. "Ich erlebte den Bombenangriff in Krefeld und habe aus dem Kellerloch das spektakuläre Lichtkonzert der Scheinwerfer und der Leuchtmunition gesehen, mit all den brennenden Häusern und den Explosionsstrahlen sowie Feuerbällen, ganze leuchtende Weihnachtsbäume fielen vom Himmel, damit die Flieger besser ihre Ziele erkennen konnten." So kam es, das erzählt er heute, dass er als einer der allerersten Künstler das Licht als solches gestaltete — zuvor hatte es Lászlò Moholy-Nagy historisch antizipiert.

Zeitgleich zu den Zero-Jahren eroberten die Menschen den Mond. Der Countdown der Raketenstarts, in dem die Zeit rückwärts gelesen wird bis "zero", wurde zu einem Gleichnis, zu einem Synonym für Zero. "Piene und ich hatten uns auf den Begriff Zero geeinigt — noch vor der Mondlandung — , als wir unserer Bewegung einen Namen geben wollten." Jetzt passte das.

Licht und Bewegung, Geschwindigkeit und kosmische Räume, die Wüste auf der Oberfläche des Mondes, das blaue Kleid der Erde, all dies wurde von Mack und seinen Freunden mit Staunen und hoher Sensibilität in ihr Werk aufgenommen.

Ganz anders die Reaktion auf das Fernsehen, das damals auf die Welt kam und bei Mack eine bürgerliche Sättigung, eine Lähmung verursachte. "Man saß auf dem Sofa, und Adenauer warb um seine Wiederwahl mit dem Begriff: Keine Experimente!" Mack suchte genau das Gegenteil, ging Wagnisse und Abenteuer ein, begleitet von spirituellen Erwägungen. Er sagt: "Ich schrieb 1959 das 'Sahara-Projekt' nieder, womit der Wunsch einherging, die institutionalisierte Welt der Museen zu verlassen, welche ich 'Friedhöfe der Kultur' nannte."

Zero begann am Rhein, in Düsseldorf, mit Mack, Piene (85) und Uecker (83), die gleichberechtigt tätig waren. Sie fanden Kontakt zu bedeutenden Künstlern in Paris, Mailand, London und in Holland, es bildete sich eine einzigartige Bewegung und Begegnung von künstlerischen Ideen und Taten, bei denen eine ubiquitäre Verwandtschaft unter den Künstlern stattfand und die Duplizität von Ereignissen an verschiedenen Orten der Welt frappierend war und noch immer ist. Die Zero-Kunst fand das Interesse des Kunstpublikums. Dann trat sie etwas in den Hintergrund, bevor sie wiederentdeckt wurde und nun diese Retrospektive in New York erhält.

Ob Zero nun als Vergangenheit bezeichnet werden soll oder nicht, da ist sich Mack nicht sicher. "Man kann nicht sagen: ,Zero ist tot!'", so der Künstler. Zu viele Einflüsse in der jungen Kunst gebe es, und er selber schaffe ganz neue Werke in der Tradition von Zero. "Gleichzeitig können nur noch wenige Zero-Künstler Zeitzeuge sein. Normalerweise muss man ja tot sein, bevor man berühmt wird", sagt Mack. "Im Falle von Mack, Piene, Uecker ist das zur Zeit noch nicht aktuell."

(RP)
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