Rundgang durch die Kunstakademie Feuerwerk der jungen Kunst

Düsseldorf · Der Rundgang in der Düsseldorfer Kunstakademie hält wieder großartige Werke bereit. Die Studierenden haben in Zeiten von Corona fantastische Formen des Ausdrucks gefunden. Sogar die Heiterkeit hat wieder Einzug gehalten.

Rundgang 2022 in der Kunstakademie Düsseldorf
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Rundgang 2022 in der Kunstakademie Düsseldorf

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Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Pulks von jungen Menschen warten vor den geschlossenen Türen, hinter denen gerade eine Prüfung läuft. Manchmal sind es 50 feingemachte Mitstudierende aus verschiedenen Klassen, prächtige Blumensträuße halten sie parat, Sekt und Schnittchen, ein goldfarben überzogener Rodonkuchen trägt die Aufschrift „Glückwunsch“.  

Jubel brandet immer nach einer bestandenen Prüfung auf. Wie sich die Zeiten geändert haben. Die Heiterkeit hat nach zwei Jahren Corona-Depression wieder Einzug in die renommierte Lehranstalt der Kunst, den Kunst-Kosmos, genommen, der sich generationsweise neu erfinden muss und dabei durchaus Leistungsschwankungen unterliegt.

Montag und Dienstag ist in der Kunstakademie Prüfungstag, die Absolventinnen und Absolventen werden gekürt, manche erhalten den Meisterbrief, die höchste akademische Auszeichnung. Alle Klassenzimmer – mehr als 50 auf vier Etagen – stehen offen. Ab Mittwoch bis Sonntag darf dann das interessierte Publikum gucken kommen.

Der 89. Rundgang in der Geschichte der Akademie gleicht einem Feuerwerk der jungen Kunst, in einer Breite und interdisziplinären Kraft, die so kaum vorstellbar war.  Ein Soundraum – gleich neben dem Eingang  – steht fürs Miteinander. Er vereint Studierende aus den drei Klassen Newton, Schneider, Petzinka. Untersucht wird in einer baulichen Realität, wie ein Raum akustisch erlebbar ist.

Mit dem Rundgang führt die Akademie ihre Debatte über das, was Kunst ist, und darüber, was man in Düsseldorf unter Leistung versteht. Die Professorenschaft entscheidet, wer ausstellen darf. Eine Evaluation im eigenen Hause finde statt, sagt Rektor Karl-Heinz Petzinka, und er zeigt sich hochzufrieden mit dem Output der Studierenden.

Seit Wochen schon rührt Gregor Schneider die Trommel für den Rundgang auf Instagram. Der international berühmte Künstler aus Mönchengladbach („Haus Ur“) ist leidenschaftlicher Professor und führt eine Klasse ohne formale Regeln und Grenzen. In diesem Rundgangsjahr präsentieren seine Absolventen Großartiges: Deniz Saridas erzählt ein modernes Märchen aus Video, Sound und Projektion.

Im Lockdown ist er ans bretonische Meer gefahren und in den deutschen Wald, hat dafür weiß strahlende Kleider genäht, in denen er und seine Freundin Paulina durch die Dunkelheit gezogen sind: Eigentlich zusammen als Paar und doch zerrissene Menschen sind sie, die wie Geister in „Frozen Warnings“ durch die Natur irren. Die Musik von Nico ist dabei wichtig, manche Sätze erscheinen gedruckt auf dem Videoschirm.

Viel bedrückender geht es im Raum daneben zu, auch die durch Corona befeuerte Angst der Zeit, spielte für Donja Nasseri eine Rolle. Der Raum ist grob ausgelegt mit Erde, mumienhafte Objekte hat sie niedergelegt, die Fenster mit Folie verdunkelt. Typisch Schneider, denkt man. Posaunenmusik und Operngesang bringen das Lamento einer Generation zum Klingen, die sich verloren glaubte, aber dank der Kunst ihre Auswege artikulieren kann.

Bildband des Stadtarchivs: So sah es in Düsseldorf in den 50er Jahren aus
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So sah es in Düsseldorf in den 50er Jahren aus

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Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Einfach nur malen – auch das kann man sein ganzes Studium lang tun. Wie Charles Laib Bitton, der während der zwei Coronajahre Menschenporträts gemalt hat. Freunde, Familie und Fremde hat der Absolvent der Klasse Grünfeld aufgesucht, jetzt hängen die Bilder im Halbrund angeordnet. Einer neben der anderen, aus Büssel, Portugal, Düsseldorf. Sehr eindringlich sind diese Werke, wie das vom Großvater, der an Covid 19 gelitten hat und verstorben ist. „Meine Bilder fangen die Realität der Corona-Jahre ein“, sagt Charles, der jetzt fertiger Meistermaler ist.

Gar keine Bilder mehr und auch keine Objekte mehr interessieren den Künstler Luca Kohlmetz. Schon lange arbeitet der Hörnschemeyer-Absolvent an der höchst subjektiven Reaktivierung und Aktualisierung des Beuys-Begriffes: eine Soziale Plastik zu erstellen, heißt für ihn die selbstgestellte Aufgabe und vor allem Kopfarbeit.  

„Die Gesellschaft ist mein Material“, sagt der 29-jährige, der im Dreiteiler auftritt und eine einsame Tomatenpflanze im runden, von Schurwolle umrandeten Hochbeet kultiviert. Darin gibt es sogar einen Mini-Komposthaufen mit extra dünnen Regenwürmern. Kohlmetz will uns den Kreislauf der Ökologie erklären. Kunst ist für ihn das Behaupten einer ökologischen Position, tausende Bio-Saatgutproben hat er außerdem eingetütet und bietet sie in Karteikästen zum Tausch an.

Dieses Klassenzimmer wurde in ein Saatgutlager verhandelt, ein Treibhaus für innovative Gedanken. Die über ein Jahr vorausgehenden praktischen Arbeiten in Düsseldorf, wo Kohlmetz immer wieder Saatgut im öffentlichen Raum verbreitet hat, lassen sich im Raum nicht erahnen.

Blaugrüner Ring in Düsseldorf - das sind die Siegerentwürfe
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Blaugrüner Ring in Düsseldorf - das sind die Siegerentwürfe

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Foto: Eller + Eller Architekten GmbH

Schon vor dem Besucheransturm zogen vereinzelt Performer über die Flure. Einen rosafarbenen amorphen Riesenkoloss trägt die Künstlerin Saskia Tamara Kaiser auf einer Trage zur Schau. Sie sagt, dieser Abschnitt einer dreiteiligen Performance soll Symbol sein für sexuelle Übergriffigkeiten, die Frauen erleben. Da, wo normalerweise das Herz sitzt, steckt ein Lautsprecher, aus dem es plärrt: „Touch me“ („berühre mich“).  

Ein anders modulierter Schrei dieser Künstlergeneration, die sich trotz Corona durchsetzen wird.

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