Ausstellung im Heinrich-Heine-Institut Die große Welt-Ausstellung

Düsseldorf · Das Heine-Institut breitet den Nachlass des Schriftstellers und Nachtpförtners Wolfgang Welt aus.

 Der Bochumer Schriftsteller Wolfgang Welt starb 2016 – sein Nachlass ging an das Heine-Institut.

Der Bochumer Schriftsteller Wolfgang Welt starb 2016 – sein Nachlass ging an das Heine-Institut.

Foto: RP/Andreas Krebs

Das Klackern einer historischen Schreibmaschine bestimmt den Sound der Wolfgang-Welt-Ausstellung im Heinrich-Heine-Institut. Auf einem Video, das in Endlosschleife läuft, haben die Kuratoren nachgestellt, wie der Bochumer Autor in einer manischen Phase 1981 seine erste Erzählung in die Olympia, Modell SM2, hackt: „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“. Darin findet sich auch ein berühmtes Zitat, das sein literarisches Werk auf den Punkt bringt: „Ich will einigen Leuten ein Denkmal setzen, die sonst nicht mal einen Grabstein kriegen würden. Ich stell mich hinten an.“

Jetzt hat das Heine-Institut dem 2016 verstorbenen Autor selbst ein Denkmal gesetzt – mit einer Ausstellung, die sich genauso für Welt-Einsteiger eignet wie für langjährige Kenner seines singulären Werks. Denn aus dem Nachlass, der auf wundersame Weise nach Düsseldorf fand, haben die Kuratoren einige Schätze gehoben. Dass die Ausstellung existiert, dass der Nachlass des zeitlebens chronisch zu wenig beachteten Autors Wolfgang Welt in guten Händen ist, ist dem Instituts-Mitarbeiter Martin Willems zu verdanken. Er hat bereits 2012 den Band „Ich schrieb mich verrückt: „Texte von Wolfgang Welt 1979-2011“ zusammengestellt und herausgegeben und damit auch Welts originäres journalistisches Werk vor dem Vergessen gerettet. Auf Wunsch der Angehörigen kam der Nachlass ins Düsseldorfer Archiv. Mit dem Schreiben angefangen hat Wolfgang Welt, der 1952 in Bochum geboren wurde und dort zeit seines Lebens bleiben sollte, als Journalist. Als „Highlight-Exponat“ beschreibt Willems die Handschrift zu seinem ersten Text dieser Art von 1979, die in der Februar-Ausgabe des längst eingestellten Stadtmagazins Marabo erschien. In diesem ersten journalistischen Text geht es natürlich um den früh verstorbenen Rock’n’Roller Buddy Holly, Wolfgang Welts Lebensthema. Auf den Fotos, die ihn als schlanken jungen Mann, gern mit Zigarette in der Hand und einem angriffslustigen Grinsen um die Mundwinkel zeigen, trägt er meist ein Buddy-Holly-T-Shirt.

Und in den Album-Charts, die Wolfgang Welt für das Magazin „Rock Session“ zusammengestellt hat und die in der Ausstellung mit einer Hörstation gekoppelt sind, steht Buddy Hollys Gesamtwerk unangefochten an der Spitze. Danach folgen bald die Düsseldorfer Fehlfarben mit dem legendären Album „Monarchie und Alltag“. Später entdeckt der Besucher in einer Vitrine eine persönliche Widmung an Wolfgang Welt im Buch des Fehlfarben-Sängers Peter Hein: „an einen altgedienten Wortarbeiter – vom Nachwuchs“.

So folgt man in den beiden üppig ausgestatteten Ausstellungsräumen des Heine-Instituts den Spuren des lebenslangen Wortarbeiters, dem das Leben den schriftstellerischen Ruhm lange verwehrt hat, der sich unter anderem als Nachtpförtner des Schauspielhauses Bochum durchschlagen musste. Wolfgang Welt musste sich im wahrsten Sinne des Wortes erst verrückt schreiben, bevor sein Debüt-Roman „Peggy Sue“ veröffentlicht wurde. Davon zeugt in der Schau ein wirrer, megalomanischer Brief an den Suhrkamp-Lektor Hans-Ulrich Müller-Schwefe, der in den 1980er Jahren noch nichts für den Bochumer tun konnte – der Verlag gab Rainald Goetz den Vorzug. Davon zeugen literarische Texte, in denen der Autor schonungslos seine schizophrene Psychose und Psychiatrie-Aufenthalte beschreibt, wo das Schreiben ihm ein Rettungsanker war.

 In einer Vitrine zum Thema „Lebensziel Suhrkamp“ sind auch Absagen anderer Verlage versammelt: Dass seine Prosa über ein Versager-Leben zu trist sei, „eintönig und ohne innere Spannung“, schreibt etwa Kiepenheuer & Witsch. Persönliche Briefe von Peter Handke hingegen lassen auf eine ausführliche und begeisterte Beschäftigung mit Welts Werk schließen. 2002 stellt Handke endlich die erlösende Frage: „Soll ich etwas bei Suhrkamp für Sie tun?“ Vier Jahre später erschien ein Sammelband im renommierten Verlagshaus, kurz darauf sein vierter Roman „Doris hilft“.

Dass Welts Romane und Erzählungen tatsächlich zu „99,9 Prozent wahr sind“, wie Welt es immer behauptet hat, dass er wirklich atemloser Chronist seines eigenen Lebens war, davon zeugt die Ausstellung: Mit Büchern, Platten und Briefen, die seine Geschichten bezeugen, mit Fotos, die ihn mit Romanfiguren zeigen. Deshalb ist das Herumstöbern auch ein bisschen wie in den Texten selbst zu flanieren.

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