Düsseldorf Dürer nannte Düsseldorf "ein Stättlein"

Düsseldorf · Gedanken von 50 Autoren hat Sabine Brenner-Wilczek in ihrem neuen Lesebuch zusammengestellt.

 Sabine Brenner-Wilczek, Autorin und Leiterin des Heinrich-Heine-Instituts.

Sabine Brenner-Wilczek, Autorin und Leiterin des Heinrich-Heine-Instituts.

Foto: anne orthen

Lore Lorentz nimmt - wie gewohnt - kein Blatt vor den Mund, als sie 1985 ihre Gedanken zu Düsseldorf und dem Düsseldorfer an sich formuliert. Die Kabarettistin beschreibt ein Eishockeyspiel. "Sehr düsseldorferisch, dieses achtprozentige Engagement mit zwanzigprozentigem Neben-sich-selber-Stehen", sagt Lorentz über das Publikum. Sie legt den Finger tief in die Wunde des zwiegespaltenen Selbstverständnisses. Und dann folgt es, das Zitat, dass diese Zerrissenheit "des Düsseldorfers" schamlos entlarvt - und heute das Cover des neuen Buches von Autorin Sabine Brenner-Wilczek ziert: "Im Fuchspelz, auf der Cola-Kiste."

Weil der Text von Lore Lorentz einer ihrer Lieblingsbeiträge gewesen ist, hat Sabine Brenner-Wilczek ihr neues Lesebuch nach diesem Zitat benannt. Das Werk der Leiterin des Heinrich-Heine-Instituts ist im Droste-Verlag erschienen. Mehr als 50 Literaten, Künstler und Persönlichkeiten lässt Brenner-Wilczek darin zu Wort kommen. Es ist eine Sammlung von Beiträgen, die vom 16. Jahrhundert bis heute entstanden sind. Autoren haben sie verfasst, während oder nachdem sie zu Gast in Düsseldorf waren.

Das Buch "Im Fuchspelz, auf der Cola-Kiste" Seite für Seite durchzublättern, ist wie eine Zeitreise durch die Stadtgeschichte. Zu allen sechs Kapiteln hat Brenner-Wilczek einen knappen Einleitungstext verfasst, der den Leser in die beiden Jahrhunderte hineinlotst, die auf den folgenden Seiten thematisiert werden. Los geht es mit dem 16. und dem 17. Jahrhundert. Der Künstler Albrecht Dürer beschreibt seine Urlaubsreise "von Cöln zu Schiff nach Düsseldorf" und nennt den Zielort "ein Stättlein". Ein wenig mehr noch schmunzelt man über die Ansichten von Georg Forster (1791) über das Leben in "diesem netten, reinlichen, wohlhabenden Düsseldorf", und laut lachen möchte man, als Balthasar Moncony (1663) von seiner Fahrt berichtet, die in Kaiserswerth begann und in Düsseldorf endete, das er nicht nur als "kleine, häßliche Stadt", sondern wie eine Mogelpackung empfand, ehe er mit merklich unerfüllten Erwartungen im Gepäck in das benachbarte Köln flieht.

Es sind diese Anekdoten, die für reichlich Kurzweil sorgen. Die Texte sind mit Bedacht ausgewählt. Sie sind unterhaltsam und lehrreich zugleich, weil sie einen unverfälschten Einblick in die Gedanken der Düsseldorf-Besucher geben. Was der höfliche Gast oder Zuschauer vielleicht für sich behält, legt das Buch der studierten Germanistin und Medienwissenschaftlerin Sabine Brenner-Wilczek offen. Anderthalb Jahre hat sie vornehmlich in den Beständen des Heinrich-Heine-Instituts recherchiert und wurde dabei von ihren Kollegen unterstützt.

Wie ein literarischer Spaziergang durch die Stadtteile wirkt das, wenn Johann Wolfgang von Goethe Aufschluss darüber gibt wie anmutig die Häuser in Pempelfort 1792 aussahen, wenn Friedrich von Uechtritz "Grafenberge mit ihren schattigen Waldparthien" mit Worten malt und Théophile Gautier "Düsseldorf bei Nacht" im Jahre 1863 beschreibt. Dass die Wohnungssuche bereits 1850 problematisch war, zeigen die Texte von Robert und Clara Schumann. Schwieriger als gedacht war es, "ein Logis im Grünen und mit Garten zu bekommen." Clara Schumanns "Düsseldorfer Tagebuch" ist noch zu entnehmen, dass auch sie von lärmenden Nachbarn nicht verschont blieb.

Bei allem Unterhaltungswert, mangelt es dem Lesebuch nicht an Ernsthaftigkeit. Insbesondere die im 20. Jahrhundert entstandenen Texte zeichnen das Bild der Stadt, wie sie während und nach der NS-Zeit aussah. "Dieser Kontrast war bei der Recherche für mich besonders spannend", sagt die Autorin. Der letzte und jüngste Beitrag ist "Brücken nach Düsseldorf" (2016) und macht Enno Stahls Assoziationen zur Stadt deutlich, die er in einem Stil, dem Stakkato ähnlich, niedergeschrieben hat.

Sabine Brenner-Wilczek ist in die Bestände des Heinrich-Heine-Instituts getaucht und hat literarische Perlen gefunden. Sie hat sie in einem lesenswerten Buch zusammengestellt, dessen Bandbreite Reiseberichte, Briefe, Tagebucheinträge, Gedichte, Essays und Erzählungen umfasst.

Und wer ein versöhnliches Ende sucht, der wird es auch finden. Dazu muss er nur den Text von Lore Lorentz zu Ende lesen, die 1985 zu einem Schluss kommt: "Man kann Düsseldorf hassen, aber einen wird man immer lieben, den Düsseldorfer."

Info "Im Fuchspelz, auf der Cola-Kiste" (2016) von Sabine Brenner-Wilczek, erschienen im Droste Verlag, 256 Seiten, Preis: 19,99 Euro.

(ball)
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