Gastspiel im Baskenland Die Symphoniker in Spanien

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Symphoniker gaben ein viel beklatschtes Gastspiel im Baskenland – in den Städten San Sebastian, Pamplona, Vitoria und Bilbao. Die Musiker unter Generalmusikdirektor Andrey Boreyko erwiesen sich als exzellente Botschafter des Landeshauptstadt.

 Im flammneuen Konzertsaal von Bilbao gaben die Düsseldorfer Symphoniker mit der Pianistin Khatia Buniatishvili ihr letztes Konzert der Spanien-Tournee.

Im flammneuen Konzertsaal von Bilbao gaben die Düsseldorfer Symphoniker mit der Pianistin Khatia Buniatishvili ihr letztes Konzert der Spanien-Tournee.

Foto: Susanne Diesner

Die Düsseldorfer Symphoniker gaben ein viel beklatschtes Gastspiel im Baskenland — in den Städten San Sebastian, Pamplona, Vitoria und Bilbao. Die Musiker unter Generalmusikdirektor Andrey Boreyko erwiesen sich als exzellente Botschafter des Landeshauptstadt.

Orchester auf Reisen befinden sich im Zustand gebremster Euphorie. Sosehr künstlerische Luftveränderung Kräfte freisetzt und den Musikern Inspiration zufächelt: Auch in der Ferne muss gearbeitet, kann der Dienst zur Plage werden. Und offene Fragen werden eher noch drängender: Werden die Säle voll? Und wie wird das Publikum reagieren?

Die Düsseldorfer Symphoniker gastierten jetzt als erstes deutsches Orchester seit Ausbruch der EHEC-Kalamitäten in Spanien, trotzdem lag kein Pulverdampf in der Luft. Allenfalls spürte man eine frische Brise aus der Biskaya, denn unser Orchester reiste ins Baskenland — und das hat mit Spanien so viel am Dreispitz wie Bayern mit Deutschland. Das Baskenland ist eine stolze Region, die dem Berner Oberland ähnelt und im Grün badet; man spürt die Pyrenäen, und von San Sebastian ist es nur ein Katzensprung nach Frankreich.

San Sebastian war die erste Station, eine mondäne Küstenstadt, die sich als Konzertsaal allerdings eine hässliche, an ein Parkhaus erinnernde Architektursünde leistet (die "Kursaal" heißt). Zum Glück schaut einen das Haus von innen angenehm an, und die Akustik ist vorzüglich.

Diese Vorzüge teilt der Saal mit seinen beiden Brüdern im heroischen Pamplona (Provinz Navarra) und im hektischen Bilbao; nur im ungeschminkten Vitoria zwängten sich die Symphoniker in eine barocke Puppenstube, deren Klang dem einer Kellerbar glich. Plüsch im Parkett, Bretterkäfig als Bühne. An solche Konzerte, bei denen sich musikalische Schönheit gleichsam als unerwartete Sensation einstellt, wird man sich in 30 Jahren freilich gern erinnern: Wisst ihr noch, damals in Vitoria?

Es klang dann Abend für Abend anders, stets neu, doch das musikalische Niveau verkrümelte sich nie. Die Symphoniker spielten auf jenem trefflichen Level, das auch unter widrigen Bedingungen noch Kompetenz reproduziert. So flogen den Musikern weder Tomaten noch Gurken, sondern vor allem Bravi entgegen. In den Beifall wurden besonders die tadellosen Orchestersolisten eingeschlossen: die Herren Trieb, Halsdorf, Esch, Oray, Scheibe-Matsutani.

Die baskischen Hörer, die in den großen Sälen wenig Lücken ließen, bekamen urdeutsches Repertoire geboten: Schumanns 2. Symphonie C-Dur und Brahms' 2. Klavierkonzert B-Dur. Die fesche Georgierin Khatia Buniatishvili (23) übernahm den Solopart; ihr Spiel eiferte erkennbar der grandiosen Wildkatze des Gewerbes nach, der Argentinierin Martha Argerich.

So aggressiv sie Oktaven in die Klaviatur kantete und dabei auch meistens richtig lag, so aufreizend wirkte ihr Kleid, das aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht unvorteilhaft ausscherte. Mit GMD Andrey Boreyko einigte sich die flammend begabte Pianistin darauf, das Lyrische zu hätscheln und das Majestätische zu donnern; gelegentlich klang dieser Brahms wie ein direkter Vorfahr der Familie Prokofieff. Bei solcher Lust aufs virtuose Extrem mangelte es ein wenig an der Poesie der Mitte, jenem norddeutsch-seriösen Gestus, der hier trotz aller Leidenschaft der Musik zur Sache gehört.

Boreyko selbst steuerte durch die Schumann-Sinfonie wie über ein plattes Land, für dessen kleinere Erhebungen, Täler und Bäche ein desinteressierter Besucher kaum Augen hatte. Vor allem fehlte es an Nuancen in Phrasierung und Dynamik; sie wurden im dirigentischen Stahlbad oder in vager Zeichengebung oft eingeschmolzen. Hingegen markierte Boreyko gern jene signalhaften Einsätze des Blechs, die in der Regel nur von den Tauben im Auditorium überhört werden.

Die Neigung von Orchestern, die eigene Klasse entweder lächelnd zu überschätzen oder maßlos zu diskreditieren, war auf dieser Tournee wenig zu spüren. Man erlebte ein ehrliches, kritikfähiges, im lebendigen Moment spanischer Lebensart jedoch hinreißend klingendes Orchester, dessen Routine auch bei solchen Tourneen ein zuverlässiger Sperrriegel gegen Mittelmaß ist. Wir können also stolz sein auf unsere Symphoniker, die auf dieser Reise abermals zu exquisiten Emissären der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens wurden.

(RP)
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