Düsseldorf Die Physikerin

Düsseldorf · Shakespeares "Romeo und Julia" machte Lou Strenger einst mit dem Theater vertraut, nun ist sie in Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" zu sehen. Auch abseits der Bühne zeigt sich die Schauspielerin vielseitig, ihr Hobby: Quantenphysik.

"Ich habe großen Respekt vor Hauptrollen", sagt Lou Strenger. "Ob sie wirklich ein Glücksfall sind, weiß man vorher nie." Theater sei etwas Unberechenbares und abhängig von vielen Faktoren: "Es muss das richtige Stück zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und dann kommt es noch auf die Regie und die Besetzung an, damit alles passt. Deshalb bin ich vor Premieren lieber vorsichtig." Aber natürlich freue sie sich riesig, die Polly in der "Dreigroschenoper" spielen zu dürfen. Eine Traumrolle? "In erster Linie hatte ich mir sehr gewünscht, mit Andreas Kriegenburg zu arbeiten", antwortet die 25-Jährige. "Seine Art zu inszenieren war eine schöne neue Erfahrung. Ich merkte den Unterschied zu manchen jungen Regisseuren. Die ältere Generation weiß sehr genau, was sie will. Sie hat weniger Druck, deshalb sind die Proben oft entspannter." Aber auch hier war es für Lou Strenger wieder ein Ringen mit ihrer Figur. "Gerade diese Frauenrollen, die kein besonderes Merkmal haben und die man schon vielfach auf der Bühne gesehen hat, machen es einem nicht leicht", sagt sie. "Da muss man schon gut überlegen, wie man die füllt." Um ihnen damit einen persönlichen Stempel aufzudrücken? "Um ihnen erstmal gerecht zu werden", korrigiert sie. "Bei Polly Peachum ist es wichtig, wie sie mit den anderen umgeht. Sie zieht nicht ihren eigenen Stiefel durch, sondern ist immer mit ihrer Umgebung verbandelt."

Bisher gab es für Lou Strenger keinen Grund, an einer Arbeit zu zweifeln, die sie in ihrem ersten und dem nun begonnenen zweiten Jahr am Düsseldorfer Theater abgeliefert hat. Die Liste ihrer Auftritte ist stattlich. Als liebestrunkene Heldin in "Romeo und Julia" war sie auf neue Weise selbstbewusst und eine Spur burschikos und verpasste dem Shakespeare-Drama damit einen außergewöhnlichen Akzent. Derzeit spielt sie in "Auerhaus", in Jelineks "Das Licht im Kasten", in "Ellbogen". Und über welch gewaltige Stimme sie verfügt, bewies sie zuerst beim Liederabend "Heart of Gold" und dann als Clara in Robert Wilsons anspruchsvoller Inszenierung "Der Sandmann". Auch jetzt wird sie als Tochter des Bettlerkönigs Peachum wieder mit Feuereifer singen und "Die Dreigroschenoper" noch aus einem anderen Grund genießen: Serkan Kaya, der Darsteller des "Mackie Messer", erinnert sie an einen nun wahr gewordenen Mädchentraum. Vor einigen Jahren erlebte sie ihn im Musical "We Will Rock You" und war zutiefst beeindruckt. "Und heute stehe ich mit ihm auf der Bühne", sagt sie, "das schien mir damals unvorstellbar."

Schon sehr früh verspürte sie den innigen Wunsch, Schauspielerin zu werden. Das hatte unmittelbar mit dem Schauspiel Dresden und dessen damaligem Intendanten Wilfried Schulz zu tun. Das Ensemble gastierte mehrfach in Lou Strengers schwäbischer Heimatstadt Ludwigsburg. Das erste Stück, an das sie sich als Teenager erinnert, war ausgerechnet "Romeo und Julia". Und gleich war es um sie geschehen: "Ab da wusste ich, dass ich das machen musste, unbedingt. Obwohl meine Sichtweise aufs Theater mehr als beschränkt war. Niemand aus meiner Familie hatte je mit Kunst zu tun."

Auf der Schauspielschule in Leipzig fühlte sie sich anfangs fremd. "Ich bin von Natur aus nicht so extrovertiert und habe richtig gelitten, weil ich nicht daran gewöhnt war, etwas von mir preiszugeben", erzählt sie. Zu sagen, sie sei Schauspielerin, falle ihr noch immer schwer. "Die Auffassung von unserem Beruf ist kurios", begründet sie. "Außenstehende scheinen manchmal zu denken, man tue den ganzen Tag nichts und verkleide sich am Abend, um auf die Bühne zu gehen. Am häufigsten werde ich gefragt, wie ich die ganzen Texte lerne. Meine Güte, das ist die kleinste Mühe, das ist reines Handwerk!"

Deshalb umgibt sie sich auch gern mit Kollegen: "Man versteht sich blind, weil man durch die gleichen Prozesse geht, in den entscheidenden Jahren, in denen sich alles verdichtet." Der Gefahr, sich in der Theaterblase abzukapseln und weltfremd zu werden, begegnet Lou Strenger mit ausgedehnten Reisen: "Der schnellste und gesündeste Weg, sich zu erden und zufrieden zu sein. Gerade für einen Schauspieler, bei dem es ja vor jeder Premiere um Leben und Tod geht." Sie lacht. "Woanders interessiert es keinen, dass ich in Düsseldorf Theater spiele." Und noch etwas nimmt Raum ein in ihrem Leben: "Ich liebe Quantenphysik", erzählt Lou Strenger begeistert. "Mit Spannung verfolge ich Vorlesungen von Wissenschaftlern im Internet. Das macht Spaß, allerdings vermisse ich danach den Austausch mit anderen."

(RP)
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