Düsseldorf Die Kunst des stilvollen Rebellierens

Düsseldorf · Stromkästen verwandeln sich in Picknicktische: Die Ausstellung "Petites Résistances – Rebellion als Kunstform" im Weltkunstzimmer in Flingern dokumentiert, wie die Straße zur Protest-Plattform der Künstler wird.

 Janine Blöß vom Weltkunstzimmer und Kurator Emmanuel Mir in der Austellung.

Janine Blöß vom Weltkunstzimmer und Kurator Emmanuel Mir in der Austellung.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

In der Art eines Agitprop-Happenings haben eine Handvoll Künstler mal eben einen Supermarkt in Flingern aufgemischt und mit leeren Verpackungen das Kinderspiel "Wer baut den höchsten Turm?" gespielt. Während einer anderen Performance hat die Düsseldorferin Anne Mommertz den Stromkasten auf dem wenig einladenden Worringer Platz zu einem gemütlichen Picknicktisch umfunktioniert und ihn so zu einem unerwarteten Treffpunkt (Stromkasten-Café) verwandelt. Eine drittes Beispiel zeigt, wie ein durch Frost entstandenes Riesenloch im Straßenasphalt mit blauer Farbe aufgefüllt wurde – in dem "See" schwimmt ein Papierbötchen.

Diese drei Aktionen sind Teil der von Kunsthistoriker Emanuel Mir kuratierten Ausstellung "Petites Résistances – Rebellion als Kunstform" in den Räumen der Hans Peter Zimmer Stiftung im "Weltkunstzimmer" an der Ronsdorfer Straße.

Die Frage ist: Kann Kunst in Zeiten, da man sich zur Vernissage im White Cube trifft oder im Museum, diesem Tempel der Hochkultur, noch gesellschaftlich relevant sein? Eindeutig ja, meint der gebürtige Franzose Mir. Zum Beweis hat er 14 künstlerische Positionen, die auf subversiven und unspektakulären Formen des Protests basieren, eigenwillig an einer meterlangen Wand zu einer dokumentarischen Schau inszeniert.

Die eingesetzten Medien (ausschließlich Fotografie und Video) beziehen sich auf Aktionen, temporär angelegte Interventionen und Performances, die zum Teil Jahre zurückliegen. Sie sind Zeugen und Spuren eines nicht wiederholbaren Ereignisses. Wie beispielsweise die Arbeit von Brad Downey, der eine sich drehende Litfaßsäule zusammen mit einer Telefonzelle und einem Mülleimer zum Träger einer dreidimensionalen, kinetischen Installation macht, die für kurze Zeit eine Berliner Straßenecke ziert – und versperrt.

Zu sehen sind individuelle rebellische Akte, kleine Widerstände wie die geradezu poetisch anmutende Sandburg, die spontan auf dem Bürgersteig entstanden ist oder das Gemüsebeet mitten auf dem Trottoir oder die in Flammen stehende Überwachungskamera. "Es geht um den individuellen Protest", sagt Janine Blöß von der Hans Peter Zimmer Stiftung. Wie Sandkörnchen mahlen die Künstler im Getriebe der globalen politischen Maschinerie, ohne den Anspruch zu erheben, das große Ganze verändern, eine Revolution entfachen zu wollen.

Denn anders als die politische Kunst der 70er und frühen 80er Jahre, als gegen ganze Systeme gekämpft wurde, liegt der Einsatz von "Petites résistances" in einer dezentralen, subjektiven Bürgerbewegung von unten, in der spielerisch, humorvoll, manchmal zynisch die Welt neu gedacht wird.

Die Straße ist das Medium, die Plattform der Künstler. Im öffentlichen Raum demonstrieren sie ihre Form des zivilen Ungehorsams und suchen den direkten Kontakt zum Bürger. So liefert die Gruppe "Cheesecake Powerhouse" eine Anleitung, wie Jedermann ihn störende Laternen-Lichter einfach ausknipsen und über die Lichtsituation in seiner Straße selbst bestimmen kann. Nicht zufällig mutet die Beschreibung mit einfachen Schritt-für-Schritt-Zeichnungen wie ein Ikea-Bausatz an.

Einige Künstler realisierten anlässlich der Ausstellung Interventionen mitten in der Stadt. In den Gaststudios der Stiftung untergebracht, haben sie hier eine bis drei Wochen verbracht und auf die besondere urbane Situation reagiert. Anstatt eines langen Marsches mit Tausenden Teilnehmern wirken ihre Aktionen wie kleine Guerilla-Umzüge.

(RP/EW)
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