Düsseldorf Die drei Neuen bitten zum Tanz

Düsseldorf · Das Tanzhaus hat drei Künstler dazu eingeladen, in den nächsten Jahren ihre Arbeiten in Düsseldorf zu entwickeln.

Wer sich einmal die Programmhefte freier Bühnen angesehen hat, der weiß, dass die Menschen, die dort auftreten, immer bloß Durchreisende in Sachen Kunst sind. Hier ein Projekt, da ein Projekt - schon sind sie weg, in die nächste Stadt, irgendwohin, wo wenigstens vorübergehend ein Engagement lockt. "Nomadisches Arbeiten" nennt die Tanzhaus-Intendantin Bettina Masuch das. "Der Tanz ist international, die meisten Künstler arbeiten nicht mehr an einem Ort."

Auch das Programmheft des Tanzhauses liest sich für gewöhnlich so, dass dort größtenteils Gastspiele angekündigt werden. Im Gegensatz zu städtischen Theatern unterhält die Bühne an der Erkrather Straße nun mal kein eigenes Ensemble. Wenn künftig aber Choy Ka Fai, Claire Cunningham oder Ligia Lewis aus London, Glasgow und Berlin in Düsseldorf zu Gast sein werden, ist das gewissermaßen trotzdem ein Heimspiel.

Die drei sind die neuen Residenzkünstler am Tanzhaus. Zwei Jahre möchte das Haus deren Arbeit nun begleiten und hofft darauf, dass die Auswärtigen das Bühnen- und Kursprogramm mit ihren Ideen bereichern. "Ich erhoffe mir Inspiration", sagt Masuch. Das Tanzhaus möchte seinerseits finanziell, organisatorisch und dramaturgisch unterstützen und erwartet dafür, so betont Masuch, "keine permanente Anwesenheit, sondern regelmäßige Arbeitsaufenthalte".

"Factory Artists" nennt das Tanzhaus sein Residenzprogramm, was insofern missverständlich ist, als dass die Künstler in diesen zwei Jahren gerade nicht wie am Fließband produzieren sollen. Es sollen Ideen entwickelt und manches ausprobiert werden können. So hatten es auch die Vorgänger, die ersten "Factory Artists" am Tanzhaus, von 2014 bis 2016 vorgemacht. Damals etwa ließ der Choreograph Jan Martens Menschen mit und ohne Tanzerfahrung auf der Bühne aufeinandertreffen. Ein geglücktes Experiment war das. Sie möge die Idee, ihre Arbeiten für das Publikum zu öffnen, sagt denn auch Ligia Lewis. Die US-Amerikanerin, die zurzeit in Berlin lebt, zeigt in der kommenden Spielzeit auf jeden Fall ihre Produktion "minor matter" im Tanzhaus, in der sie für eine Politik der Minderheit plädieren möchte. Das Stück ist der zweite Teil einer Trilogie. Weitere Arbeiten sollen während ihrer Düsseldorf-Zeit entstehen.

Intendantin Masuch sagt, die "Factory Artists" seien ein Bekenntnis des Hauses: "Es ist unsere Aufgabe, die Arbeitsbedingungen von Künstlern zu verbessern." Einem wie Choy Ka Fai wird die Zeit, die ihm in den kommenden Jahren eingeräumt wird, ganz sicher zugutekommen. Der Künstler ist einer für die Schnittstelle, er begegnet dem Tanz mit Technologie. Das ist zum einen aufwendig und zum anderen eine ständige Laborsituation. "Meine Performances stellen immer auch einen Prozess aus", sagt er. Neulich zeigte er im Tanzhaus eine Uraufführung: Er verkabelte seine Tänzer, maß ihre Gehirnströme bei der Bewegung und veränderte diese durch Eingriffe ins Geschehen. "Dance Clinic" heißt die Produktion, die neben Faszination auch einen leichten Schauder auslöste.

Claire Cunningham heißt die dritte neue Künstlerin in Düsseldorf. Die Schottin möchte herausfinden, "what's specific for the city" - was die Stadt denn so ausmacht. Im Internet hatte sie bereits vorab recherchiert und war auf das Elvis-Presley-Museum gestoßen, das es längst nicht gibt. Sie sieht es dennoch als ersten Anknüpfungspunkt.

Cunningham, Jahrgang 1977, ist aufgrund einer körperlichen Behinderung seit ihrem 14. Lebensjahr auf Krücken angewiesen. Nach einem Gesangsstudium fand sie zur darstellenden Kunst und entwickelte mit den Krücken eine andere Körperlichkeit für die Bühne. Die Krücken versteht sie als Erweiterung des Körpers. Sie fasziniere die Auseinandersetzung mit körperlicher Behinderung, sagt sie: "Meine Arbeiten handeln nicht immer davon, aber sie sind immer davon beeinflusst."

(kl)
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