Düsseldorf Die Bühnen in der Nazi-Zeit

Düsseldorf · Bei einem Gastspiel im Central wird die Vergangenheit aufgearbeitet.

Zu Beginn der Inszenierung "Stolpersteine Staatstheater" sitzen die Theaterbesucher gemeinsam mit den Schauspielern an einem riesigen Tisch. Vor ihnen Zeitungsartikel, Akten und Augenzeugen-Berichte aus düsterer Zeit. Was geschah an deutschen Bühnen nach Hitlers Machtergreifung mit jüdischen Ensemblemitgliedern und Mitarbeitern? Dieser Frage gingen Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura nach. Sie griffen dabei eine Anregung des Badischen Staatstheaters auf, wo sich in alten Personalakten die antisemitische Diskriminierung verdeutlichte: Dort wurden der Intendant, jüdische Schauspieler und eine Souffleuse entlassen, verhaftet, ins Exil oder den Selbstmord getrieben.

"Die Situation in Karlsruhe ist exemplarisch für andere Bühnen", sagt Kroesinger, der mit Dura zu den wichtigsten freien deutschen Dokumentar-Theatermachern zählt. Das im Juni 2015 in Karlsruhe uraufgeführte Projekt "Stolpersteine" wurde zum Theatertreffen 2016 nach Berlin eingeladen. Davor wird es heute Abend um 20 Uhr auf der Kleinen Bühne im Central gezeigt. Dieses erste Gastspiel fädelte Intendant Günther Beelitz ein.

Nicht nur fürs Badische Staatstheater, auch für Kroesinger selbst, dessen Inszenierung "Kindertransporte" den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin erhielt, bedeutet die Teilnahme am Theatertreffen eine große Auszeichnung. Die politischen Themen seiner Stücke, darunter der Genozid in Ruanda, hätten viel mit seiner Biografie zu tun, sagt der gebürtige Bonner (53). "Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Interesse an Geschichte. Das Theater ist der Ort, wo man Gesellschaft und Politik verhandeln kann. Anders als im Fernsehen wird inmitten von Fremden spürbar, wie sich über zwei Stunden etwas entwickelt."

Zunächst holt er darum auch in Düsseldorf das auf 100 Zuschauer begrenzte Publikum an einen Tisch mit den vier Akteuren. "Später löst sich die Runde auf", erzählt Hans-Werner Kroesinger. "Übrig bleiben die Dokumente. In Karlsruhe verweilten die Leute immer noch länger und vertieften sich darin, gemeinsam mit den Schauspielern. Sehr schnell begannen sie von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten."

An seinem nächsten Projekt arbeitet Kroesinger übrigens auch schon, diesmal geht es um Fragen der offenen Grenzen. Wieder wird er sich vorher durch tausende von Seiten arbeiten - das gehört für ihn dazu. Bei "Stolpersteine" etwa wollte er genau wissen, "welche Stücke in der Nazi-Zeit gespielt wurden und welche Auslegung die Reichstheaterkammer für die deutschen Klassiker vorschrieb".

(RP)
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