Düsseldorf Der Sound eines Tausendfüßlers

Düsseldorf · In der Sommerakademie "Close Up" des FFT ergründen Jugendliche mit Hilfe von Insekten, was Macht bedeutet.

 Alex und Anna (beide 13) sitzen im Tontechnik-Workshop und hören sich an,wie es klingt, wenn ein Tausendfüßler über Papier läuft.

Alex und Anna (beide 13) sitzen im Tontechnik-Workshop und hören sich an,wie es klingt, wenn ein Tausendfüßler über Papier läuft.

Foto: Schaller,Bernd

Konzentriert sitzen Alex und Anna vor dem Laptop. Sie tragen dicke Kopfhörer und lauschen ihrem Werk. "Wir haben Mikrofone auf ein Blatt Papier geklebt und einen Tausendfüßler darüber laufen lassen", erklärt der 13-Jährige. Herausgekommen ist ein Knarzen und Zirpen, ein anstrengendes Geräusch, irgendwie unheimlich. Die beiden Jugendlichen werden es mit anderen Geräuschen kombinieren und daraus ein Klangerzeugnis machen, ein Sound-Experiment.

Sie sind zwei von 43 jungen Teilnehmern der Sommerakademie "Close Up", die vom FFT organisiert wird und in diesem Jahr unter dem Motto "Keine Macht für Niemand" steht. In vier verschiedenen so genannten Laboren in den Räumen der Gemeinschaftshauptschule Bernburger Straße machen sie Musik, drehen kurze Filme, üben sich in bildender Kunst und experimentieren mit Ton-Technik. Unterstützt werden sie dabei von Künstlern, die ihnen Anreize geben und sie mit Material versorgen. "Uns ist aber wichtig, dass sie ihre eigenen Ideen entwickeln. Wir setzen nur den Rahmen", sagt die dramaturgische Leiterin des Projekts, Anke Platon.

Zusammen mit ihren Kollegen ist sie in 30 Schulen gegangen, um für die Sommerakademie zu werben. Rund 100 zum Teil förderbedürftige Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren wollten dabei sein und mussten sich in einer Art Casting beweisen. Wer das nötige Engagement und künstlerische Talent zeigte, bekam einen der Plätze, die von Kultur-, Jugend- und Schulverwaltungsamt mitfinanziert werden. Die Teilnehmer standen vor einer nicht ganz unkomplizierten Aufgabe: Arbeite mit Insekten und zeige an ihnen die Auswirkungen von Macht.

Florian (14) entschied sich, eine "Arena" aus Holz, Tape und Maschendraht zu bauen und argentinische Waldschaben hineinzusetzen. Zwei bis drei Tage hat er dafür gebraucht. Nun steht er im Schatten auf dem Hof der Schule und sieht den Tierchen zu. Plötzlich versucht eine Schabe, durch eine der Maschen zu entwischen, aber Florian ist schneller. "Die will da durch. Da müssen wir nachbessern. Die Maschen sind zu groß", sagt er selbstkritisch. Sein, wenn auch weitläufiges, Gefängnis für die Insekten soll dicht sein. "Die Schüler haben Macht, die Insekten einzusperren, theoretisch sogar, sie zu töten. Andererseits können die Tiere auch Ekel auslösen und so ihrerseits Macht ausüben", sagt Steffen Moor, Assistent des zuständigen Künstlers Joachim Brodin. Ekel kennt Florian allerdings nicht, er ist zu beschäftigt damit, pragmatisch zu sein. "Zwei der fünf Schaben sind aus ungeklärter Ursache gestorben", erzählt er, er will alles von nun an besser im Blick haben. Ihm macht es überhaupt nichts aus, einen Teil seiner Ferien auf einem Schulgelände zu verbringen. "Das Projekt ist super, weil man so viele verschiedene Dinge machen kann."

Alex und Anna wollen ihren ruckeligen Tausendfüßler-Sound mit Antworten von Passanten kombinieren, denen sie Fragen zum Thema Macht gestellt haben. "Was würdest du damit bewirken?", lautete eine. "Mir Zigaretten besorgen" antworte einer. Auf die Frage "Wer hat Macht über dich", sagt ein Mann "mein Arbeitgeber" und klingt frustriert.

Es sind teilweise etwas schräge, aber höchst originelle Projekte, an denen die Jugendlichen und ihre künstlerischen Betreuer seit dem 22. Juli täglich von 11 bis 17 Uhr arbeiten. Morgen präsentieren sie die Ergebnisse ab 18 Uhr in der Schule an der Bernburger Straße, der Eintritt ist frei.

(RP)
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