Kunsthalle Düsseldorf Der Professor malt wie ein Punk
Düsseldorf · Tal R lehrt seit 2004 an der Kunstakademie. Nun zeigt die Kunsthalle unter dem Titel "Mann über Bord" zum ersten Mal Arbeiten des 45-Jährigen. Zu sehen sind ungestüme Werke, an denen der Besucher seine Schaulust befriedigen kann. Sie ermöglichen die Welterkundung im Geist des Punk.
Hunderte von Zeichnungen hat der an der Kunstakademie Düsseldorf lehrende Tal R wie am Schwarzen Brett übereinandergeklebt. Die verwirrende Zettelwirtschaft bietet in Form von Skizzen, Cartoons, Zeitungsausschnitten oder Kritzeleien so viel Information und Bildmaterial, dass dem Besucher schwindlig wird.
Passend dazu lautet der Ausstellungstitel der Kunsthalle Düsseldorf: "Mann über Bord". Frühe Zeichnungen, verrückte Collagen, farbsatte Gemälde und bunte Plastiken prallen in dieser aufreizenden Werkschau aufeinander. Tal R (1967 in Israel geboren) lotet "die Möglichkeiten jenseits des sicheren Terrains" aus, glaubt der Direktor der Kunsthalle Gregor Jansen.
Dass die Experimentierfreude des in Dänemark aufgewachsenen Künstlers nicht in ein Chaos aus Beliebigkeit mündet, spricht für die Ausstellungsmacher. Inselähnliche Plattformen, auf denen kleinformatige Arbeiten zu sehen sind, sollen jeweils ein Thema vorstellen, das dann in den ringsum versammelten größeren Arbeiten wieder auftaucht.
Tal R begegnet der Realität wie ein Welt-Erkunder, der die Fundsachen der Wirklichkeit mit kindlicher Neugier aufsammelt und nach seinen eigenen Regeln neu vernetzt. Die handwerkliche Seite dieser Werke erinnert eher an die Philosophie des Punk oder an Arbeiten, die auf der Straße, jenseits des etablierten Kunstbetriebs entstehen. Technik muss sein — aber nur als notwendiges Ausdrucksmittel.
Die Emotionen, die seine Werke auslösen und der "Geist der Kunst"sind dem Künstler wichtiger. Das Erfreuliche an dieser patchworkartigen Weltenschau ist die Selbstironie und Beiläufigkeit, die in all den Gemälden und Plastiken zum Vorschein kommen. Anders als sein Zeitgenosse und Künstlerkollege Jonathan Meese, dessen Arbeiten ähnlich ungestüm daherkommen, verzichtet Tal R auf bedeutungsschwangere Ausflüge in die Welt der Mythen.
In der Kunsthalle bewegt sich der Besucher wie in einer überbordenden Raumcollage. Man kann seine Schaulust befriedigen, sich treiben lassen und sich nebenbei ein paar Gedanken machen: über die Bedeutung dieser Voodoo-Ästhetik und die Frage, wo die imaginären Falltüren stecken in diesen kunterbunten "Trash-Pop-Kunstwerken".
Parallel zur Werkschau von Tal R präsentiert die Kunsthalle eine Gruppenausstellung mit Preisträgern und Nominierten des "Prix Marcel Duchamp". Unter dem Titel "Räume der Erinnerung" stellen sechs Künstler wie Cyprien Gaillard ihre Konzepte vor und vermitteln so einen Einblick in die aktuelle französische Kunstszene.