Düsseldorf Der geschenkte Malewitsch

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Kunstsammlung NRW hat ein bedeutendes ungegenständliches Gemälde geschenkt bekommen. Dessen ungenannter Wert könnte sich auf 80 Millionen Euro belaufen. Stifterin ist eine Sammler-Erbin aus Meerbusch.

Wie durch ein Wunder ist der Kunstsammlung NRW ein schier unfassbares Geschenk zugefallen. Die Witwe des Kunsterben Harald Hack, die in Meerbusch wohnhafte Marlene Hack, hat dem angesehenen Düsseldorfer Museum für moderne Malerei ein Bild des russischen Avantgarde-Künstlers Kasimir Malewitsch (1879-1935) geschenkt, dazu 43 Zeichnungen aus mehreren Schaffensperioden. Als Marion Ackermann, Leiterin des Hauses, jetzt den kostbaren Zuwachs vorstellte, nannte sie weder den Namen der als bescheiden geltenden Spenderin noch den materiellen Wert der Stiftung.

Der ideelle Wert ergibt sich schon aus dem Jahr der Entstehung des Bildes "Schwarzes Rechteck, rotes Quadrat": 1915 malte Malewitsch auch sein berühmtes "Schwarzes Quadrat", frühes Beispiel einer Kunst, die sich selbst löscht, um neu zu beginnen; einer Kunst, welche die Welt auf geometrische Grundformen reduziert und damit die Prinzipien menschlicher Erkenntnis veranschaulichen will. Ein Schwesterbild der geschenkten Komposition hängt unter dem Titel "Junge mit Tornister" im New Yorker Museum of Modern Art. Malewitsch nannte diese Richtung "Suprematismus" und legte damit den Grund für künstlerische Verdichtungen bis weit ins 20. Jahrhundert.

"Schwarzes Rechteck, rotes Quadrat" zählt also zu den Schlüsselwerken der Moderne und hat damit seinen Preis. Wie hoch er ist, lässt sich nur durch Vergleiche ermitteln. Vor sieben Jahren versteigerte Sotheby's in New York eine 1916 entstandene suprematistische Komposition Malewitschs für 60 Millionen Dollar. Da die Preise gerade für Spitzenwerke der Kunst seitdem erheblich gestiegen sind und dem Düsseldorfer Bild eher eine noch höhere Bedeutung zukommt als dem New Yorker, könnte man heute mit 90 Millionen Dollar kalkulieren, umgerechnet rund 80 Millionen Euro.

Der Hintergrund der überraschenden Schenkung ist verschwommen; bei näherer Betrachtung schält sich dies heraus: Wilhelm Hack, der Vater von Harald Hack, stiftete der Stadt Ludwigshafen 1973 seine Kunst-Sammlung; im Gegenzug gründete die Stadt das noch heute bestehende Wilhelm-Hack-Museum. Die Zusammenarbeit mit Ludwigshafen war aber dem Vernehmen nach nicht unproblematisch, zumal Teile der Bevölkerung den Bau eines Museums für moderne Kunst ablehnten. Auch soll es Unstimmigkeiten zwischen Vater und Sohn gegeben haben. Als Wilhelm Hack 1985 starb, erbte sein Sohn 18 Gemälde und ein Konvolut von 52 Zeichnungen, die sich als Dauerleihgaben im Museum befanden. 1989 veräußerte Harald Hack zwölf seiner Dauerleihgaben an die Stiftung Wilhelm Hack der Stadt Ludwigshafen. Im Lauf der Jahre forderte er Dauerleihgaben zurück, so dass schließlich nur noch die Gemälde "Schwarzes Rechteck, rotes Quadrat" von Malewitsch und das "Bild mit weißen Linien" (1913) von Wassily Kandinsky als Dauerleihgaben im Museum blieben. Erst im vorigen Jahr stellte sich heraus: Der inzwischen verstorbene Harald Hack hatte bereits 1988 testamentarisch verfügt, dass die beiden Leihgaben von Malewitsch und Kandinsky im Fall seines Todes nicht im Wilhelm-Hack-Museum bleiben sollen. Über den Grund herrscht Unklarheit.

Harald Hacks Witwe entschloss sich dann offenbar unter dem Eindruck einer herausragenden Schau zu Kandinsky, Malewitsch und Mondrian in der Kunstsammlung NRW, dem Museum das Bild von Malewitsch zu schenken und ihm dasjenige von Kandinsky als Dauerleihgabe zu überlassen.

Der Düsseldorfer Künstler Imi Knoebel, der sich in seiner Arbeit seit je auf Malewitsch beruft, hat dem Neuzugang einen schönen Empfang bereitet - mit eigenen ungegenständlichen Werken, worunter sich auch das Bild "Una's Haus" befindet. Una ist der Name von Malewitschs Tochter - und seit wenigen Jahren auch derjenige von Knoebels kleiner Enkelin.

(RP)
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