Düsseldorf Der edle Rebell Mikis Theodorakis hält Hof in der Tonhalle

Düsseldorf · Besser als im Programmheft der Tonhalle lässt sich der Jubel, der das Publikum bereits vor der Veranstaltung erfasste, nicht erklären: "Liebe Konzertbesucher, heute Abend heißen wir eine Persönlichkeit willkommen, die auf unvergleichliche Weise Geschichte geschrieben hat.

Besser als im Programmheft der Tonhalle lässt sich der Jubel, der das Publikum bereits vor der Veranstaltung erfasste, nicht erklären: "Liebe Konzertbesucher, heute Abend heißen wir eine Persönlichkeit willkommen, die auf unvergleichliche Weise Geschichte geschrieben hat.

Mikis Theodorakis hat es wie kein anderer vermocht, Musik und Politik zu verbinden." Die Begeisterung fand kein Ende, als der 92-jährige Komponist im Rollstuhl vor dem Publikum erschien. Unter dem Titel "Theodorakis Classics" sollten drei Orchesterwerke aufgeführt werden, die ihm selbst besonders am Herzen liegen.

Den vielen Griechen im Auditorium wohl auch. Hätte man dazu aufgefordert, die griechische Nationalhymne zu singen, sie wären gewiss zu Hunderten aufgesprungen für "Ymnos is tin Eleftherían", die Hymne an die Freiheit. Auch wenn gerade deren Musik nicht von Theodorakis sondern von Nikolaos Mantzaros stammt, dem Gründer der ersten Komponistenschule des modernen Griechenland. Doch den Weltbürger, den kompromisslosen Demokraten und Vollblutmusiker Mikis Theodorakis kennt in Griechenland auch heute noch jedes Kind. Über 1000 Lieder und Kompositionen umfasst sein Werk.

Auch mein Sitznachbar Stavros gehört mit Mitte 70 zur "Generation Mikis". Er ist sogar auf der gleichen Insel Chios geboren. Mehr noch, er ist mit ihm verwandt: "Cousin zweiten Grades". Nur ein paar Mal sind sich die Beiden begegnet, kein Wunder, bei dem aufregenden Reiseleben, dass Theodorakis nicht immer freiwillig führte. Plötzlich macht mich Stavros auf die Sitzreihe hinter uns aufmerksam. "Da sitzt doch der berühmte Deutsche, der 1974 auf dem Syntagma-Platz protestiert hat." Tatsächlich, es ist Günter Wallraff, und der freut sich offensichtlich, jemanden zu treffen, der damals in Athen Zeuge seiner Aktion war. Als Delegierter des "Ausschusses Griechenland-Solidarität" hatte sich Wallraff an einen Lichtmast gekettet und Protestblätter gegen die Militärdiktatur verteilt. Die mutige Tat brachte ihm Folter und 14 Monate Einzelhaft ein. Letzten Monat noch war der Enthüllungsjournalist in Athen, um seinen "guten Freund Mikis" zu treffen. Dem seit Jahrzehnten in Düsseldorf lebenden Griechen Stavros sind die Jahre der Diktatur noch in lebendiger Erinnerung. Wallraff und er tauschen Adressen aus.

Die Szene ist kennzeichnend für diesen grandiosen Abend in der Tonhalle: Es ging um die Erinnerung an ein Jahrhundert, das Mikis Theodorakis durch sein Engagement genauso mitgestaltet hat wie mit seiner Musik.

Die Düsseldorfer Sinfoniker unter der Leitung von Baldur Brönnimann spielten im Hauptteil die Sinfonie "Das Lied der Erde". Für den chorischen Teil sorgte der Städtische Musikverein.

Nach der Pause folgten die Ode "Ödipus Tyrannos" und abschließend die kurze Symphonie Nr. 3. mit der kanadischen Mezzosopranistin Frances Pappas.

Nicht enden wollender Jubel.

(RP)
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