Düsseldorf Dem Mörder seit 70 Jahren auf der Spur

Düsseldorf · In der Komödie laufen derzeit die Proben zum Agatha-Christie-Klassiker "Die Mausefalle", der seit 1947 die Zuschauer begeistert.

 "Die Mausefalle" in der Probe mit (v. l.) Regisseur Jan Bodinus, Verena Wüstkamp, Stefan Bockelmann, dahinter Armin Riahi.

"Die Mausefalle" in der Probe mit (v. l.) Regisseur Jan Bodinus, Verena Wüstkamp, Stefan Bockelmann, dahinter Armin Riahi.

Foto: Anne Orthen

Wie lang darf er sein, der Rock von Verena Wüstkamp? Die Schauspielerin schaut an sich hinunter. "Ich finde ihn ganz in Ordnung", sagt sie. "So war die Mode 1952 nicht", widerspricht ihre Kollegin Ute Stein, "er sollte gekürzt werden." Das behagt dem Regisseur nicht. "Man würde ihm seinen ganzen Schwung nehmen", murmelt Jan Bodinus. Also bleibt der Rock unverändert.

Bevor in der "Komödie" an diesem Tag die Probe zum Krimi "Die Mausefalle" beginnt, werden die Kostüme der acht Schauspieler begutachtet. Alle stehen nebeneinander in Wintermänteln auf der Bühne. Wer kriegt den hellen Schal, wer den dunklen? Soll Ute Stein braune oder schwarze Handschuhe tragen, was passt besser zu Hut und Schuhen? Danach kann der Durchlauf beginnen.

"Die Mausefalle" spielt im abgelegenen Landhaus Monkswell Manor. Mollie Ralston hat es geerbt und eine Pension daraus gemacht. Nun erwartet sie ihre ersten Gäste. Nach kurzer Zeit ist das Ensemble fast komplett eingeführt. Da weiß man auch schon, dass in der Nähe ein Mord geschehen ist. Und bald wird die Ahnung zur Gewissheit, dass sich der flüchtige Unhold im Haus befindet. Denn es geschieht ein weiterer Mord. Der Klassiker funktioniert nach dem simplen, aber wirkungsvollen Muster "Wer war's?"

Ursprünglich schrieb Agatha Christie "Die Mausefalle" als 20minütiges Radio-Hörspiel und erfüllte damit 1947 einen Geburtstagswunsch von Queen Mary. 1952 erweiterte sie es zu einem Theaterstück und schenkte die Rechte ihrem Enkel Mathew Prichard. Die Autorin bestimmte, dass "Die Mausefalle" im anglo-amerikanischen Sprachraum (Kanada war später die Ausnahme) und in Japan erst sechs Monate nach dem Absetzen in London aufgeführt werden dürfe.

Dazu kam es jedoch nie. Denn seit 65 Jahren wird der Kult-Krimi ununterbrochen gespielt - ein Touristenmagnet. Generationen von Zuschauern kennen also den Täter, was dem Stück offenbar nichts von seinem Reiz nimmt. Jan Bodinus tummelt sich oft in der lebendigen Theaterszene in London. "Wenn man dem Taxifahrer auf dem Weg zum St. Martins Theatre zu wenig Trinkgeld gibt, rächt er sich und verrät einem den Mörder", erzählt er. Für Düsseldorf wünscht sich der Regisseur, dass niemand im Publikum zum Spaßverderber wird.

Nimmt man die deutschen Spielpläne der vergangenen Jahre unter die Lupe, taucht "Die Mausefalle" kaum auf (bis auf Berlin, wo es im "Kriminal Theater" schon über 1250 Vorstellungen mit 160.000 Besuchern gab). Warum macht sich das Stück so rar? Jan Bodinus hat eine Deutung parat: "In den 1970er Jahren wurde es oft gezeigt. Heutzutage kommen Intendanten und Regisseure nicht mehr so schnell darauf. Es ist ja sehr traditionell und sollte aus meiner Sicht auch so inszeniert werden. Darauf haben Regisseure oft keine Lust, sie wollen sich lieber selber verwirklichen." So denke er nicht, für ihn sei "Die Mausefalle" historisch, aber dennoch zeitlos und extrem spannend: "Jeder rätselt, wer der Mörder ist. Wir unterstützen das durch eine atmosphärisch dichte Inszenierung. Das Bedrohliche muss greifbar werden." Agatha Christie hat sich einprägsame Typen ausgedacht, darunter einen schneidigen Major (Volker Conradt), einen zwielichtigen Architekten (Dustin Semmelrogge) und einen unangemeldeten Gast (Sven Post), der sich verdächtig macht. "Man sollte die Rollen ernstnehmen, glaubhafte Figuren entwickeln und trotzdem den Humor nicht verlieren", resümiert der Regisseur, der seinem Werk vertraut: "Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht gut laufen würde. Der Vorverkauf ist jedenfalls vielversprechend."

Jan Bodinus lebt in Berlin und ist dem Rheinland eng verbunden. In Zürich geboren, wuchs er in Krefeld auf. "Meine Eltern Sibylle Brunner und Carsten Bodinus waren in den 70er Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert, mein Vater hatte hier seine erste Regie. Wegen der Waldorfschule wohnten wir in Krefeld." Auch er wurde Schauspieler und wirkte 1989 in Werner Schroeters "Medea" im Düsseldorfer Theater mit: "Mit einem echten Pferd auf der Bühne, was einen kleinen Skandal auslöste." Er trat bei den Schlossfestspielen Neersen auf, inszenierte dort erstmals 2008 und ist heute Intendant in Neersen. "Die Mausefalle" erarbeitete er mit Florian Battermann schon einmal fürs Braunschweiger Theater. Das brachte ihm einen Ritterschlag ein: "Wir wurden als einzige deutsche Inszenierung nach London eingeladen."

(RP)
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