Düsseldorf "Das Publikum kann auch nervtötend sein"

Düsseldorf · Das Ensemble des Jungen Schauspielhaus brilliert nicht nur in der "Farm der Tiere". Viele Akteure lieben den Kontakt zum Publikum.

Bei seiner Rückkehr aus dem Berliner Grips-Theater ans Junge Schauspielhaus brachte Stefan Fischer-Fels vier Schauspieler mit: Alessa Kordeck (sie war ihm einst aus Düsseldorf gefolgt), Maria Perlick, Paul Jumin Hoffmann und Kilian Ponert. Mit den bisherigen Ensemblemitgliedern Maelle Giovanetti, Julia Goldberg und Bernhard Schmidt-Hackenberg sowie dem Neuankömmling Jonathan Gyles wuchsen sie zu einer hochgelobten achtköpfigen Truppe zusammen.

Ein Glanzlicht der durchweg positiv aufgenommenen Spielzeit war der Deutsche Theaterpreis "Der Faust 2016" für die berührende Inszenierung "Der Junge mit dem Koffer" von Liesbeth Coltof. Das Stück wird auch von den Schauspielern als Glücksfall eingeschätzt: "Manchmal sind Schülergruppen da, die offenbar keine Lust darauf haben, das merkt man schon beim Einlass", sagt Bernhard Schmidt-Hackenberg. "Und am Ende haben wir sie alle gewonnen."

Jüngster Favorit ist für sechs Mitwirkende aus dem Ensemble "Farm der Tiere", eine Gemeinschaftsarbeit mit dem Schauspielhaus. "Mein Highlight", sagt Julia Goldberg, die in der beklemmend aktuellen Satire ein radikales Schaf spielt. Alessa Kordeck wandelt sich von der sanftmütigen zur selbstbewussten Kuh. "Im kleinen Kreis zu arbeiten, schafft eine sehr schöne Vertrauensbasis", sagt sie. "Aber einmal quer durch die Ensembles zu gehen, ist eine inspirierende Erfahrung."

Jonathan Gyles, geboren auf Jamaika, sieht es ähnlich: "Unsere kleine Truppe ist toll. Trotzdem sind diese Kreuzungen enorm wichtig. Wir sind keine Kindertheater-Schauspieler, wir sind Schauspieler." Er wollte diesen Beruf sehr früh ergreifen. "In Filmen sah ich, dass Leute machen konnten, was sie wollten. Das fand ich faszinierend." Am meisten liebt Jonathan das körperliche Spiel, das von ihm gefordert wird.

Für Maria Perlick waren die spannenden Projekte von Stefan Fischer-Fels der Anreiz, mit Lust und Neugier nach Düsseldorf zu wechseln. Ihre abenteuerlichste Rolle spielte sie in "Obisike, das Herz einer Löwin", eine Co-Produktion mit Nigeria: "Da stand ich mit einer Kollegin aus Lagos und zwei Düsseldorfer Kindern auf der Bühne, das war wunderbar."

Maelle Giovanetti, zuletzt als bissiger Kampfhund in "Farm der Tiere", ist insbesondere "Der Junge mit dem Koffer" ans Herz gewachsen, "Natives" aber noch mehr: "Da durfte ich zeigen, was ich alles drauf hab." Nach drei Spielzeiten hat sich ihr Blick aufs junge Publikum geschärft: "Am dankbarsten ist das Alter vor der Pubertät. Danach kann es für uns auch mal nervtötend werden. Wenn aber starke Reaktionen kommen, freu ich mich. Weil ich weiß, denen kann man nichts vormachen, die schlucken nicht alles."

Alle acht sind sich einig, für wen sie am liebsten spielen - für ein gemischtes Publikum aus Kindern, Eltern, Großeltern. Wobei Julia Goldberg immer wieder feststellt, "dass dann über ganz unterschiedliche Dinge gelacht wird. Am witzigsten ist es, wenn Kinder einen mit ihren Kommentaren entlarven." Kilian Ponert hält das Ensemble für Spezialisten seiner Zunft: "Ich glaube nicht, dass jeder Schauspieler gut mit ganz jungen Zuschauern umgehen kann. Manche wollen es vielleicht auch nicht." In "Farm der Tiere" brilliert er als Mastferkel: "Zu gern würde ich auf einer Tour mit vielen Vorstellungen zeigen, was wir hier erarbeitet haben." Er ist beim Liederabend "Heart of Gold" noch in eine weitere Crossover-Arbeit eingebunden.

Paul Jumin Hoffmann erinnert sich noch gut an seine erste Vorstellung vor Jugendlichen: "Da dachte ich noch, ich kann's nicht machen, ich steh das nicht durch, die quatschen ja die ganze Zeit." Bis er herausfand: "Die reden gerade über das, was auf der Bühne passiert. Eine totale Rückkoppelung. Diese Interaktion macht mir inzwischen am meisten Spaß - wie ein Happening. Das Theater als Fest, das wünsche ich mir."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort