Düsseldorf Das Jazz-Prinzip der Offenheit

Düsseldorf · Zehn Jahre ist es her, dass Heinz Sauer (80) und Michael Wollny (34) sich zunächst durch Zufall zu frei improvisierten Duo-Konzerten zusammenfanden.

 Heinz Sauer (r.) und Michael Wollny im Robert-Schumann-Saal.

Heinz Sauer (r.) und Michael Wollny im Robert-Schumann-Saal.

Foto: Steingießer

Wollny, die große Hoffnung des deutschen Jazzpianos, und Sauer, der herausragende Meister am Saxofon, der ein solcher Individualist ist, dass man ihn am treffendsten mit verneinenden Adjektiven beschreibt, denn er ist es tatsächlich: unbeugsam, unangepasst, uneitel, unpopulär. Nach einem Jahrzehnt der gemeinsamen Auftritte, vier CDs und etlichen Auszeichnungen ist das Prinzip ihres Zusammenspiels immer noch Offenheit.

So gab es auch jetzt im Robert-Schumann-Saal von den beiden keine vorbereiteten Arrangements zu hören und keine einstudierten Wendungen in der Improvisation. Mit den Kompositionen, die Sauer und Wollny in ihren Konzerten spielen — zur einen Hälfte Standards und zur anderen Originals —, muss das Publikum schon sehr vertraut sein, um sie wiederzuerkennen. Doch dann wird es aufs Schönste belohnt. Es ist, als wenn man Klängen nachginge, die aus der Ferne herangeweht werden.

Freie Piano-Improvisationen umspielen ein imaginäres Zentrum, mischen sich mit Soundflächen vom Saxofon und gewinnen an Intensität, bis sie sich zu Fragmenten eines Themas verdichten. Meist ist es nicht der Anfang einer Melodie, der sich aus Wollnys Präparationen als erstes herauskristallisiert, sondern der B-Teil, wie bei Esbjörn Svenssons innigem "Believe Beleft Below".

In Miles Davis' "All Blues" kündigen gar nur zwei lang angehaltene Saxofontöne innerhalb des walzenden Piano-Ostinatos das Thema an. Sauer scheint mit ihnen selbst die entlegensten Winkel des Saales ausloten zu können.

Und was für Töne! Schroff, spröde, ja splittrig. Obertonreich und oft an der Grenze zum Überblasen. Dieser markerschütternde Tenor-Ton ist es auch, der den Prince-Hit "Nothing Compares 2 U" noch schmerzlicher klingen lässt, als eine Vokalversion es je könnte. Das ist große Kunst.

Das Publikum belohte die Künstler mit herzlichem Beifall.

(RP/EW)
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