Das ist die Fotokunst von heute

Rund 250 Arbeiten von 41 Künstlern zeigt das NRW-Forum ab morgen. Die Ausstellung dokumentiert, wie schwer es für junge Künstler ist, nach den Bechers, Stephen Shore und Cindy Sherman eigene Konzepte zu finden. Die besten der versammelten Werke geben jedoch Anlass zur Hoffnung.

"State of the Art Photography" ist ein ambitionierter Titel für eine Ausstellung, bedeutet er doch im englischen Sprachgebrauch den höchsten Entwicklungsstand. Der hohe Anspruch im NRW-Forum ist dem renommierten, von Werner Lippert berufenen Beirat geschuldet, der 41 Künstler auswählte: Dazu gehören unter anderem der Sammler und Modefotograf F. C. Gundlach, Andreas Gursky, Klaus Biesenbach vom New Yorker Museum Of Modern Art und Udo Kittelmann, dem Generaldirektor der Berliner Museen.

Die Ausbeute soll unabhängig vom Alter der Teilnehmer zeigen, wer die Diskussion um die künstlerische Fotografie in den nächsten Jahren weiter bringen wird. Einige Positionen zeigen, wie schwer es für junge Künstler ist, im Medium der Fotografie eine eigene Sprache, ein eigenes Konzept zu finden — die Schatten von Erneuerern wie Stephen Shore, Cindy Sherman oder den Bechers und ihren Nachfolgern sind lang.

Manche vertrauen nicht allein auf die Fotografie, sie arbeiten ergänzend mit Video, Installation und Skulptur. Andere lassen sich mit überzeugenden Ergebnissen von Heroen der Neuen Sachlichkeit und des Dadaismus wie Hannah Höch, Dora Maar, August Sander und Albert Renger - Patzsch befruchten. Kathrin Sonntags Collagen aus Wortspielen, Gegenständen und Fotografien sind ebenso rätselhaft wie humorvoll und frech. Daniel Gordon bastelt komplex collagierte Papierbüsten, die er abfotografiert und die so als verstörende Porträts aus zusammengeflickten Schnipseln überdauern.

Pepa Hristovas Aufnahmen sind nicht nur besonders sensible Porträts von Menschen in ihrer Lebensumwelt: Die gezeigten Männer sind in Wahrheit Frauen, die ein Leben als Mann wählten, um in der archaischen Gesellschaft Albaniens die gleichen Rechte wie Männer zu bekommen. Caspar David Friedrich kommt einem in den Sinn vor den mit schwerer Plattenkamera festgehaltenen Inszenierungen von Ulrich Mühe: Weit vom Dunkel ins Helle öffnet sich die Landschaft, deren Mittelpunkt eine einsame Figur prägt. Erst der Titel "Pissing Nazis am Obersalzberg" schickt jeden Anflug von Romantik in den Abgrund.

Asger Carlsen interpretiert die Form frei: Menschliche Körper sind deformiert und amputiert zu skulpturalen Gebilden geworden und belegen, welche Mittel der Manipulation dem Medium zur Verfügung stehen. Der gelernte Stylist Armin Morbach machte gestellte Posen zur Position und lichtete Models in den edelsten Kollektionsteilen beim in Paris sehr populären "Laying" ab: Er legte sie flach wie Bretter an originelle Orte — Mode und Schönheitsideal werden in dieser irritierenden Konstruktion zweitrangig. Die überwältigende Schönheit, aber auch Gefährdung der Natur zeigt Olaf Otto Becker mit dokumentarischen Aufnahmen der Arktis — alle paar Meter ein mit Kamera bewaffneter Tourist inbegriffen.

Alex Grein baut die Natur lieber selbst neu zusammen — das Ergebnis sieht aus wie Malerei, es sind jedoch Hunderte aneinandergereihter, kleinster Satellitenaufnahmen von Google Earth. Spielerisch und ironisch setzen sich Taiyo Onorato und Nico Krebs mit den Möglichkeiten und Grenzen der Fotografie auseinander, indem sie das Werkzeug selbst auf absurde Weise in Szene setzten und zum Hauptmotiv machen: Eine Schildkröte wird ebenso zu einer Kamera umgebaut wie ein Stein oder ein Stapel Bücher.

(RP)
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