Düsseldorf DAF und Fehlfarben im Zakk wieder vereint

Düsseldorf · Die legendären Punkbands aus dem "Ratinger Hof" verausgaben sich bei einem Konzert wie in alten Zeiten.

Der Sänger schüttet sich eine Flasche Wasser über den Kopf. Klatschnass singt er weiter. Nein, er singt nicht. Er brüllt, er bellt, er befiehlt. Gabi Delgado-López ist eigentlich gar kein Sänger. Seine Stimme feuert Salven ab. Er ist auch kein Maschinengewehr Gottes, obwohl seine Gestik manchmal an die suggestive Aufdringlichkeit amerikanischer Fernsehprediger erinnert. Gabi ist das MG der Postmoderne. Vernunft und moralische Werte zählen da nicht mehr. Alles wird ausgespuckt. "Staub zu Staub!" brüllt der Frontmann von DAF, der "Deutsch Amerikanischen Freundschaft". Allein der Name der Band ist pure Ironie. Was früher einmal galt, kommt erstens auf den Prüfstand, wird zweitens mit Pathos vergoldet und drittens verschrottet: "Tanz den Mussolini, Tanz den Adolf Hitler!"

Der ganz in Schwarz gekleidete Delgado-López deutet dabei den Hitlergruß an. Bei dieser Provokation muss man gleich an Jonathan Meese denken, jenen Performance-Künstler, der in ähnlicher Weise fragwürdige Persönlichkeiten der Weltgeschichte parodiert hat - freilich mit zu großer Verspätung. Denn die Musiker von DAF begannen schon 1980 im "Ratinger Hof" mit ihrer Entsorgung der Moderne. Wie eine Schrottpresse - laut, stampfend, vollautomatisch - klingt auch der Sequencer-Sound, den Robert Görl programmiert hat und dem er nun an seinem Schlagzeug hinterherhetzt. Währenddessen hastet Delgado wie ein hospitalistisches Tier über die Bühne, links, rechts, links, rechts. Die Bühne ist viel zu klein, der Saal auch. Pathos braucht Raum und Masse. Er brüllt sich in Ekstase, und man muss Angst um seine Gesundheit haben. Hat sich schon mal jemand zu Tode gesungen? "Vor dem Leben war nichts, nach dem Leben ist nichts!" ruft der pudelnasse Performer und beschwört so den Glanz der Gegenwart. Den Zuschauern im vollgestopften ZAKK verschlägt es den Atem. Sauerstoffmangel. Ganz vorne springen sie in die Luft, tanzen den Pogo, wie 1980. "Verschwende deine Jugend!" befiehlt Gabi Delgado. Auch deshalb geht man in ein DAF-Konzert. Man will das Jungsein noch mal erleben.

Auch die sechs Musiker von Fehlfarben, die den Abend im ZAKK eröffneten, vermitteln dem Publikum dieses Gefühl von ewiger Jugend. Frontmann Peter Hein, der im grauen Anzug mit Krawatte wie ein durchgeknallter Autoverkäufer aussieht, ist ebenfalls kein Sänger im herkömmlichen Sinn. Immer wenn die beiden Keyboarder der Band einen Tick zu schön spielen, dann zersägt er die Harmonie mit schrägen und wütenden Stimmattacken. Er grölt zwar nicht: "I can´t get no satisfaction". Aber er meint es so ähnlich, natürlich auf deutsch. "Was ich haben will, das krieg ich nicht." Oder: "Wenn die Welt nicht so wär wie sie wär, hätten alle ein Leben oder mehr!"

Begleitet wird die Anklage von der Schlagzeugerin Saskia von Klitzing, einer echten Donnerbraut, die die etwas älteren Herren druckvoll auf Trab bringt. Überhaupt klingt die Band besser als vor dreißig Jahren. Man hat sich musikalisch weiterentwickelt. Der Sound ist polierter, Ecken und Kanten sind abgeschliffen. Ein Song wie "Es geht voran" dröhnt nun ungeheuer funky über den Bühnenrand, fast wie eine Nummer von James Brown. Auch in dem jüngeren Stück "Glücksmaschinen" ( 2010), das einen hypnotischen Sog entwickelt, überzeugt Hein als zorniger Gegenwartsdiagnostiker. Das Publikum dankt es ihm. Und der ewige Rebell verbeugt sich - brav oder ironisch - wie einst Ilja Richter in der Disco. Wahnsinn!

(RP)
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