Inklusive Performance-Kunst Barrierefreiheit für Teetassen

Düsseldorf · Die Künstlerin Claire Cunningham wollte wissen, wie Religionen mit Behinderungen umgehen. In Flingern zeigt sie ihre Ergebnisse – lehrreich und witzig.

 Claire Cunningham tanzt ihre „Guide Gods“.

Claire Cunningham tanzt ihre „Guide Gods“.

Foto: Colin Mearns

Claire Cunningham rutscht von Teetasse zu Teetasse. Sie hält den Tassen das Mikrofon hin und fragt: „Was ist es, dass du liebst?“ Für jede Tasse hallt eine Antwort durch den Raum: „Den Geruch von Regen“, „Meine Familie“, „Sandwich mit Käse, Chips und Ketchup“. Cunningham suchte nach religiösen Menschen mit Behinderung – in ihrer Heimat Schottland und auf der ganzen Welt. Sie wollte von ihnen wissen, wie ihre Religion mit ihrer Behinderung umgeht – und was das mit den Betroffenen macht. Eine gemeinsame Tasse Tee war die Grundlage jedes Gesprächs. In ihrer 80-minütigen Perfomance „Guide Gods“ stehen sie nun stellvertretend für ihre Gesprächspartner.

Zu Beginn der Vorstellung erzählt Cunningham: „Ein Mann sagte mir, seine Behinderung habe er, weil er in einem früheren Leben etwas schlechtes getan habe.“ Später ergänzt sie: „Obwohl ich daran nicht glaubte, fühlte ich mich angegriffen, ja beleidigt. Was sagt das über mich?“

Während ihrer Performance bekommt der Zuschauer eine vorbildliche Lehrstunde in Religions- aber auch in Sozialkunde. Cunningham zeigt anhand der Gespräche, wie Behinderungen aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen werden. Wie etwa, dass der Glaube, die Behinderung sei eine Strafe, in den Religionen oftmals gar nicht vorkommt – sondern erst durch durch gesellschaftliche Normen entsteht.

Cunningham betreibt 80 Minuten Aufklärung – für Christen, Juden, Moslems, Hinduisten, Buddhisten – unterhaltsam, pointiert und in hohem Maße lehrreich. Das Bemerkenswerteste ist aber die komplette Barrierefreiheit der ganzen Vorführung. Eine Stimme aus dem Off liefert gesprochene Untertitel, die in Schrift auf zwei Monitoren durchlaufen. Eine Dame übersetzt für Gehörlose alles Gesagte in die Gebärdensprache. Der Raum ist zusätzlich mit einem induktiven Audiosystem ausgestattet. Cunningham selbst bewegt sich in der Mitte des Raumes, die Zuschauer sitzen im Kreis drumherum.

Niemand wird von dieser Veranstaltung ausgeschlossen. Und auch wenn der Aufwand dafür groß ist, wirkt es wie ganz selbstverständlich. Eine Frage drängt sich auf: Warum ist das nicht immer und überall so?

Info Claire Cunningham tritt mit ihrem Programm noch zwei Mal, heute um 11 Uhr und um 20 Uhr, in der Versöhnungskirche Flingern auf (Gerresheimer Straße 171A). Für die 20-Uhr-Vorstellung sind noch Karten übrig, im Anschluss kann mit der Künstlerin bei einer Tasse Tee diskutiert werden.

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