Düsseldorf Bob Dylan spielt Blues in Düsseldorf

Düsseldorf · Der Sänger ist auf seiner unendlichen Tour wieder in Deutschland unterwegs. Er singt viel neue Songs, ein paar Klassiker – und bleibt rätselhaft wie eh und je.

Düsseldorf: Bob Dylan spielt Blues in Düsseldorf
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Der Sänger ist auf seiner unendlichen Tour wieder in Deutschland unterwegs. Er singt viel neue Songs, ein paar Klassiker — und bleibt rätselhaft wie eh und je.

Die schlechteste Nachricht des Abends ist, dass Dylan viel Klavier spielt. Das kann er nicht. Immer wieder trifft er die falschen Tasten oder die richtigen Tasten zur falschen Zeit. Gleich reihenweise versemmelt er die Songs, und bei "Beyond Here Lies Nothin'" ziemlich am Anfang des Abends fragt man sich, wie seine Band dieses Geklimper ohne Regung aushält — und ob man wirklich dem großen Bob Dylan in der Mitsubishi Electric Halle zuhört oder sich zur Offenen Bühne im Pfarrheim verirrt hat.

Aber so ist das halt. Dylan ist inzwischen 72 Jahre alt und befindet sich seit einem Vierteljahrhundert auf einer "Never Ending Tour", die ihn mal wieder nach Düsseldorf geführt hat. Über ihn und sein Werk ist in den vergangenen Jahrzehnten so viel gesprochen, geschrieben und zuletzt auch gefilmt worden, das es ihm selbst zu den Ohren heraushängt. Man kann sich also vor dem Konzert informieren, was zu erwarten ist und vor allem was nicht, zum Beispiel virtuoses Instrumentenspiel. In der Mitsubishi Electric Halle sind trotz des großen Namens viele Plätze freigeblieben.

Den Großteil des Auftritts bestreitet Dylan mit Songs aus seinem blueslastigen Spätwerk, das er kürzlich mit "Tempest" fortgeführt hat. Dazwischen streut er Klassiker ein wie "She Belongs to Me" oder "Tangled Up in Blue". Er trägt einen schwarzen Westernanzug mit weißem Muster, er hat ein bisschen zugelegt. Wenn er sich vom Klavier nach vorne bewegt, stellt er sich breitbeinig vor den Mikroständer und stemmt die Hände in die Hüften. Dann sieht er überraschend lässig aus für einen 72-Jährigen, und auch unheimlich einsam. Seine fünf jüngeren, sehr zurückhaltenden Begleitmusiker haben sich hinter ihm aufgereiht und achten darauf, dass sie jede Regung in seinem Gesicht mitbekommen. Dylan hat sie in khakifarbene Anzüge gesteckt und teilweise mit Hüten versehen, sie sehen aus wie eine schwachbrüstige Mafia-Gang aus der Prohibitionszeit.

Der Abend wird mit jedem Song neu verhandelt. Dylan gibt kein Konzert, er erlaubt es, ihm beim Musik machen zuzuschauen, mit allen schönen und weniger schönen Momenten. Manche Lieder rauschen einfach durch ihn hindurch, ohne beim Sänger oder den Zuhörern irgendeine Wirkung zu hinterlassen. Dann wieder gibt es starke Momente, wenn er mit seiner von Nikotin und Alter völlig zerstörten Stimme über die unerfüllte Liebe singt oder die Bibel, über schräge Typen und das dunkle Herz Amerikas — und plötzlich ist er anwesend.

Dann schaut man für einen Augenblick in die wunderbare Welt, die er in sich trägt, selbst wenn man in dem Krächzen viele Worte nicht versteht. Beim rockigen "Lovesick" am Ende des ersten Teils holt er alle Kraft aus seiner Stimme heraus, und bei "Simple Twist of Fate", seit jeher der Song, bei dem man ihm am nahesten zu kommen scheint, erwischt er am Klavier sogar die Akkorde.

Zum Abschluss spielt Dylan zwei Klassiker: "All Along the Watchtower" und zum Abschluss "Blowin' in the Wind", das er ironisch gebrochen vortragen lässt als beschwingte Bluesballade (was dem Song nicht schlecht bekommt).

Danach tritt er, nach knappen zwei Stunden inklusive Pause, mit seinen Musikern kurz an den Bühnenrand, um den Jubel entgegenzunehmen. Dabei schaut er so teilnahmslos und leer über die Köpfe der Zuschauer, das es nicht einmal unfreundlich wirkt.

Schnell verschwindet er, ab nach Berlin, wo er von Donnerstag bis Samstag drei Shows gibt, dann geht es weiter in die Schweiz. Bis Ende November noch ist er in Europa unterwegs und steht fast jeden Abend auf der Bühne.

(RP)
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