Düsseldorf Begeisterndes Stück im Theater an der Kö

Düsseldorf · Die Komödie "Blütenträume" von Lutz Hübner hatte Premiere. In dem großartig inszenierten Stück erlebt der Zuschauer Senioren beim späten Flirtkursus. Man wünscht der gelungenen Aufführung viele Zuschauer.

Sie haben sich zum Senioren-Flirtkursus "70plus" in der Volkshochschule versammelt — sechs Alleinstehende mit Sehnsucht nach weniger Einsamkeit, gleichgesinnter Gesellschaft oder gar einer neuen Liebe. Bald blitzen einige Charaktere aus dem Spektrum der reifen Teilnehmer heraus: der Besserwisser, die Frohnatur, die Nörglerin, der Unbedarfte. Der dynamische Start von "Blütenträume" macht neugierig und zieht das Publikum im "Theater an der Kö" sofort mit.

Erst recht, als die siebte und um Jahrzehnte jüngere Flirt-Aspirantin auftaucht. Julia (Jenny Jürgens) entspricht dem Klischee einer beruflich erfolgreichen Frau mit katastrophalem Privatleben. Ihre so verkrampfte wie vergebliche Partnersuche ließ sie derart verzweifeln, dass sie nun auf Biegen und Brechen eine sichere Gebrauchsanweisung einfordert, egal, in welchem Kreis. Kaum in den Vierzigern ist auch der schneidige Kursleiter Jan (Florian Reiners). Nicht bei jedem Schüler fruchten seine aus dem Coaching-Baukasten zusammengeklaubten Methoden. Einige sind brav und willig bei der Sache, andere sperren sich und murren auf. Bis es schließlich zu einem Eklat kommt, der das Grüppchen sprengt und die schrulligen Einzelgänger zum Umdenken zwingt.

Das Stück von Lutz Hübner hält sein anfängliches Versprechen. Virtuos werden in fein geschliffenen Dialogen Leichtigkeit und Tiefgang verschmolzen. "Blütenträume" begeistert durch ein reizvolles Wechselspiel von heiteren und anrührenden Momenten. Das Lachen und das Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben, wechseln sich selten so häufig ab wie hier. Doch erst das durchweg glänzende und von Regisseur René Heinersdorff elegant geführte Ensemble verleiht dem Abend seine Strahlkraft. Ein kluger Schachzug, die beiden mitwirkenden Schauspieler-Ehepaare auf der Bühne zu entkoppeln. Das erhöht die Spannung, wie es denn wohl ausgehen mag mit der Suche nach dem späten Glück.

Volker Conradt spielt souverän den übereifrigen pensionierten Schulleiter Friedrich, seine Frau Ute Stein mit großer Sensibilität die Witwe Frieda. Ihr kommt die Aufgabe zu, den Finger in so manche Wunde zu legen. Sich selber schont sie dabei nicht, ihre schockierende Lebensbeichte bricht plötzlich aus und geht zu Herzen. Und weil sie gerade noch unbeschwert gekichert haben, dauert es eine Weile, bis die Zuschauer das rechte Gespür für diesen Realismus finden und für eine Weile ganz still werden.

Renate Hundertmark ist wunderbar als erfrischend patente Gila, ihr Ehemann Klaus Schleiff macht sich gut als versponnener Ulf mit lustiger Wollmütze. Der biedere Heinz, gespielt von Ulli Kinalzik, übertüncht seine Ängste mit Munterkeit, und der aufmüpfigen Ex-Bibliothekarin Britta verleiht Ursula Bredin ein überzeugendes Profil. Jenny Jürgens, das "späte Mädchen" im Stück, meistert eine Gratwanderung. Sie ist herrlich als überspannte Heulsuse mit Hang zur Hysterie. Ganz und gar beseelt von dem Wunsch, endlich den Mann fürs Leben zu finden, schmeißt sie sich in ihre Übungen und feuert ihren Mitschüler verbissen an: "Du musst jetzt flirten, Friedrich!" Dann wieder nimmt sie in einer entscheidenden Situation mit kühlem Kopf das Heft in die Hand.

"Blütenträume" hält einige überraschende Wendungen parat. Wer mit wem am Ende von der Bühne und in eine hoffnungsvolle Zukunft geht, soll hier nicht verraten werden, es würde das Vergnügen künftiger Besucher schmälern. Lieber möchte man Zuschauer zu ihrem eigen Besten in hellen Scharen ins Theater schicken.

Das Stück, bei der Premiere begeistert gefeiert, bietet weit mehr als unterhaltsame Kurzweil mit lebensnahen Einsprengseln. Es hat die wohltuende Wirkung von zartbitterer Schokolade, die langsam auf der Zunge zergeht.

(RP/ila)
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