Düsseldorf Barfuß im Wunderland

Düsseldorf · Die Pianistin Alice Sara Ott spielte in der Tonhalle Grieg und Liszt, und der haute sie beinahe vom Hocker.

Zur Zugabe trägt Alice Sara Ott einen neuen schwarzen Hocker auf die Bühne, setzt sich und kehrt nach einer halben Stunde Liszt zurück zu Grieg. "In der Halle des Bergkönigs" spielt sie, und die Pianistin schleicht sich zunächst an Edvard Griegs Superhit heran, erhöht aber bald das Tempo, schert links raus, ohne zu blinken, und man kann ihr nun zuhören, wie sie so über die Tasten brettert, sich am Flügel aufbäumt, und zum Glück hält nun ihr Sitz.

Der erste Hocker hatte nicht standgehalten, der hatte mit lautem Knacken nachgegeben, den hatte sie zusammen mit Franz Liszts Klaviersonate erledigt, aber Alice Sara Ott blieb einfach für den Rest der halben Stunde auf dem ramponierten Schemel sitzen. Vielleicht hatte sie das gar nicht bemerkt, sie wirkte jedenfalls recht versunken.

Das hatte sich die Pianistin zu Beginn gewünscht, sie stellte ihrem eindrucksvollen Konzert in der Tonhalle eine Ansprache voran, sie sagte: Bitte gleich die Augen schließen und dann in Erinnerungen schwelgen. Sie gab zunächst einmal Edvard Griegs "Lyrische Stücke", denen hat sie schon ihre aktuelle CD "Wonderland" gewidmet, und ins Wunderland wollte sie nun also die Konzertbesucher entführen. Aber Augen zu, das ging nicht.

Denn die erst 28-jährige Pianistin ließ das Licht zwar bis auf einen Kegel rund um den Flügel abschalten und eröffnete mit dem passend betitelten "Es war einmal". Aber weil sie dem leichthändigen Spiel - sie saß übrigens barfuß am Klavier - bald schon immer wieder kräftige Anschläge entgegensetzte und sich dabei zeitweise gegen ihr Instrument stemmte, wollte man ihr doch lieber zusehen als wegzuträumen. Maximal kontemplative Haltung: Augen auf, ohne noch richtig zu fokussieren - so ging es einem beim "Hochzeitstag auf Troldhaugen", aber Alice Sara Ott holte einen bald zurück. Zu Griegs knapp 20-minütiger Ballade zerlegte sie das Klavier zuletzt regelrecht.

Die erste Hälfte bestritt sie in einem wallenden gelben Kleid, nach der Pause kam sie ganz in Schwarz zurück. Die Lichtanlage ließ sie nun ganz runterfahren, das war nicht mal mehr Halb-, eher schon Dreiviertelschatten. Sie wollte nun mit Liszts h-Moll-Sonate in die Unterwelt hinabsteigen, das allerdings gelang nur bedingt. Auch wenn sie ihre Tasten noch erstaunlich zuverlässig traf - das Dämmerlicht störte. Ärgerlich zudem: Im Saal war nun über die ganze verbleibende Zeit ein Geräusch zu hören, ein ständiges Surren, gegen das auch die Mitarbeiter der Tonhalle nichts auszurichten wussten. Das brachte Unruhe und suchende Blicke auf den Rängen, die Stimmung war zeitweise vollkommen hinüber. Von der Tonhalle hieß es später: Am Saal lag es nicht, das Geräusch habe das Konzerthaus mit seinen Gästen verlassen. Man vermute deshalb, dass ein "auffälliges Hörgerät" oder ein anderes technisches Gerät eines Besuchers der Pianistin dazwischengefunkt habe.

Alice Sara Ott jedenfalls zeigte sich unbeeindruckt, spielte sich mit Verve durchs Programm, donnerte den Liszt ins Rund, bis es sie fast vom Hocker haute. Als der dann knirschte, übertönte das sogar das ständige Surren.

(kl)
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