Ausstellung im Kai10 in Düsseldorf Das Kai 10 beleuchtet die Nacht

Die Ausstellung „Im Licht der Nacht – Die Stadt schläft nie“ widmet sich den faszinierendsten Stunden des Tages.

 Fotografie „Angel“ aus der Serie „Golden“ von Tobias Zielony – zu sehen ist die in Riga entstandene Arbeit im Kai 10.

Fotografie „Angel“ aus der Serie „Golden“ von Tobias Zielony – zu sehen ist die in Riga entstandene Arbeit im Kai 10.

Foto: Tobias Zielony

Man muss nur mal sehen, welche Redensarten und Sprichwörter im Duden für „Nacht“ vorgeschlagen werden: „die Nacht der langen Messer“ etwa. Und: „bei Nacht und Nebel“. Und: „die Nacht zum Tage machen“. Und dies vergleiche man mit den Vorschlägen für „Tag“: „Guten Tag“; „bei Tage besehen“; und – noch langweiliger – „man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“.

Am besten ist, man lobt erst einmal gar nichts und wartet die Nacht ab. Denn die Nacht ist die unberechenbare Schwester des Tages, sie ist die faszinierendste aller Tageszeiten, gefürchtet und gefeiert, Dunkelheit und Disko. Es ist deshalb eine gute Idee, dass das Kai 10 der Nacht eine Ausstellung widmet. Man liest nur den Titel „Im Licht der Nacht – Die Stadt schläft nie“, und sofort geht das Kopfkino los in Full-HD und Dolby Digital.

Die Schau ist Teil einer Kooperation mit dem Kunstmuseum Marta Herford, dort widmet man sich dem „Leben im Halbdunkel“, im Kai 10 wird die nächtliche Großstadt beleuchtet. Gleich im Eingangbereich stößt man auf sogenannte Transparentbilder aus dem 18. und 19. Jahrhundert, das sind kleine Arbeiten, die Straßenzüge, Gebäudeensemble und Terrassenanlagen bei Tag zeigen. Die Bilder sind allerdings so präpariert, dass sich die Motive je nach Lichteinfall wandeln. Die Ausstellungsmacher sprechen von Auf- und Durchlicht, jedenfalls werden die Bilder im Wechsel von vorne und hinten beleuchtet, und wenn das Licht von hinten kommt, findet es nur durch Löcher und Ritzen seinen Weg aufs Papier. Man sieht dann das Licht durch die Fenster der Häuser scheinen, hell erleuchtete Schaufenster, Feiergesellschaften.

Die Ausstellungsmacher um Kuratorin Julia Höner widmen sich der Nacht in all ihren Schattierungen, vom Bordstein bis zum Berghain. Den Transparentbildern gegenüber hat Claus Richter eine Straßenszene aus Holz, Pappe und LED-Lichtern eingerichtet. Man sieht dort die Abgestürzten am Tresen hängen, eine Prostituierte im Schoß ihres Freiers, eine Schlägerei, einen unterhemdsärmeligen Kerl an einer Laterne lehnen. Eine Gestalt, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte.

Die Elektrizität befreie „die Menschheit aus der Knechtschaft der Finsternis“, soll der französische Handelsminister Alexandre Millerand zur Eröffnung der Pariser Weltausstellung 1900 gesagt haben, das ist im Kai10 aus einem Film von Andreas Bunte zu erfahren. „Heute ist die Nacht ein hochdifferenzierter Aktivitätsraum“, heißt es im Katalog zur Schau. Tatsächlich sind die Grenzen zwischen Tag und Nacht weitgehend aufgehoben, statt Nachtruhe gibt es Nachtschichten und Nachtleben, wovon beispielsweise Tobias Zielonys Fotografien erzählen.

Zielony ist bekannt für seine Bilder von Jugendlichen, und so hat er auch in der lettischen Hauptstadt Riga junge Leute fotografiert. Zielony zeigt die Menschen im Aufbruch, wie sie sich für die Nacht bereit machen etwa, mit sexuellen Identitäten experimentieren, darunter etwa ein Junge, der Lippenstift aufträgt.

Im Zentrum des zweiten Ausstellungsraumes steht allerdings etwas anderes, ein Stromkasten, den das Künstlerduo Fort (Jenny Kropp und Alberta Niemann) aufgestellt hat. Auf dem Kasten sind eine Kaugummi-Verpackung, ein Kippenstummel und ein Eishörnchen arrangiert. Ein Stillleben – es ist, was von der Nacht übrig blieb. Genau so wollen die Künstlerinnen es einmal in Köln vorgefunden haben, und das ist so gut beobachtet und in die Ausstellung überführt, dass man nur staunt, welche Wirkung und Erzählkraft ein grauer Klotz entfalten kann.

Komplettiert wird die Schau von einer Videoarbeit Klara Lidéns, die zeigt, wie sie im Moonwalk durch New York schlafwandelt. Alona Rodeh hat eine Installation aus Licht, Sound und wehrturm-ähnlichen Gebilden errichtet, die vielleicht daran erinnern soll, das Ausleuchtung auch Kontrolle bedeuten kann. Ann Lislegaard zeigt mit einer digital erzeugten Eule eine echte Nachtkreatur und Norbert Schwontkowski in seinen Malereien surreal anmutende Stadt-Nachtszenen.

Matthias Lahme hat auf großen Bahnen Papierschnitte hergestellt, eine Fleißarbeit, die von Weitem an Kirchenfenster erinnert. Schwarze Tusche und Aquarellfarben hat er aufgetragen, mit dem Cuttermesser Strukturen und Muster hineingeschnitten. Schaut man sich noch einmal genau an, was vom Papier übrig geblieben ist, erkennt man Monster und Gespenster darin.

Steht man vor Lahmes Arbeiten, hört man es von nebenan schon wummern. In einem weiteren Raum zeigen Fort ein Video tanzender Kinder, die mal mehr, häufig weniger sicher die Bewegungen von Erwachsenen auf dem Dancefloor nachahmen. Den Raum, der selbst eine Tanzfläche ist, betritt man durch eine Tür, die der Pforte zum Berliner Club Berghain nachempfunden ist.

Nur der Türsteher fehlt. Zum Glück.

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