Düsseldorf Aus dem Leben singen

Düsseldorf · Das neue Programm der Bürgerbühne des Schauspielhauses im Central heißt "Verlorene Lieder". Jeder Darsteller singt ein Lied, das für ihn eine emotionale Bedeutung besitzt. Die Geschichte dazu wird dem Publikum ebenfalls erzählt.

 18 Mitwirkende zählt das Team der Bürgerbühne, die jetzt mehrfach auf der kleinen Bühne im Central auftritt.

18 Mitwirkende zählt das Team der Bürgerbühne, die jetzt mehrfach auf der kleinen Bühne im Central auftritt.

Foto: Sebastian Hoppe

"Lachen, noch mehr lachen!", gibt Bojan Vuletic beim Einstimmen vor. "Pure Glückseligkeit bitte!"

Um den musikalischen Leiter der Revue "Verlorene Lieder" scharen sich 18 Sängerinnen und Sänger. Kein Verein, kein Chor, sondern ein bunt gewürfeltes Trüppchen, ausgewählt für eine besondere Uraufführung am Samstag im Central. Es ist die zweite große Inszenierung der im Herbst gegründeten Bürgerbühne am Schauspielhaus. Dem fulminanten Start mit Shakespeares "Sommernachtstraum", gespielt von Jugendlichen und wegen des anhaltenden Erfolgs fest im Programm, folgt nun ein eigenes Projekt zur Kultur des Singens.

"Wir spürten der Frage nach, ob im Familienkreis oder unter Freunden heute noch viel gesungen wird", sagt Christof Seeger-Zurmühlen, "und wenn ja, von wem und warum." Der Regisseur, zugleich Leiter der Bürgerbühne, skizziert das Konzept: "Jeder Protagonist bringt ein Stück ein, das für ihn eine Bedeutung hat, mit dem er einschneidende Erlebnisse und persönliche Erinnerungen verbindet. Diese Geschichten werden dem Publikum auch erzählt."

Schicksalslieder querbeet - dramatisch, melancholisch, volkstümlich oder heiter. Der Franke Stephan Zehentmeier, seit 1999 im Rheinland, steuert mit dem "Wegwerflied" des Bayern Fredl Fesl eine skurrile Variante bei. Das ist doch der mit dem Pottschnitt, oder? "Ja, genau der", antwortet er vergnügt. "Ich mag seinen eigenwilligen Humor und verdanke diesem Stück sogar mein Lebensglück. Als ich vor über 20 Jahren auf einer Skihütte die Gitarre auspackte und alle Verse zum Besten gab, hat sich meine Frau in mich verguckt." Der Berater und Coach nutzt das gemeinsame Singen auch gern als Anker in seinen Seminaren für Manager: "Erst schauen sie befremdet, dann tauen sie auf und machen mit."

Hannah Breuer bedauert, dass bei Familienfesten kaum noch gesungen wird. "Ich weiß noch, wie Tante Renate früher aus voller Brust das Heideröschen schmetterte. Als Kind war mir das peinlich, heute erscheint es mir schön. Singen kann so viel bewirken und bringt innere Freude." Die 29-Jährige mit soeben beendetem Studium der Medienpolitik wählte den Gassenhauer "Ich will keine Schokolade" aus. Ihre Inspiration: "Trude Herr hatte für die damalige Zeit etwas Rebellisches und Charismatisches."

Christof Seeger-Zurmühlen geht es bei der musikalischen Schatzsuche nicht nur um vergessene Werke. Auch der Sinn von Nationalhymnen oder Begriffe wie "die Stimme verlieren" und "innere Stimme" kommen vor. Für die Klangfülle stellte er dem Ensemble vier Profis zur Seite: den Pianisten Klaus-Lothar Peters, zwei Gesangsstudentinnen der Robert-Schumann-Musikhochschule und den klassischen Gitarristen Jakob Wagner. "Wir gerieten bei den Proben immer wieder in sensible Bereiche", berichtet der Regisseur. "Manche Geschichten zu offenbaren, erforderte viel Mut."

Claudia Falke hatte ihn und fühlt sich seitdem von einem Trauma befreit. Sie wirkte einst als alleinerziehende Mutter bei der Schauspielhaus-Inszenierung "Die Ratten" mit und traut sich nun mit einer bewegenden Episode erneut auf die Bühne. Bei der Geburt ihrer Tochter wäre sie fast gestorben, während im Hintergrund "Mad World" von Gary Jules lief. Zwölf Jahre ging es über ihre Kraft, den einschmiegsamen Song anzuhören. "Jetzt habe ich es endlich geschafft", sagt sie, "es war eine Art Eigentherapie."

Luda Liebe aus Monheim kostete es viel Überwindung, zu Zarah Leanders "Nur nicht aus Liebe weinen" den Tod ihres Mannes zu thematisieren. Die künstlerisch aktive Inhaberin der "Werkstatt für Persönlichkeitsentwicklung und optimale Lebensart" griff Passagen aus der Abschiedsrede auf, die sie bei der Trauerfeier für den Naturwissenschaftler und Künstler Roland Liebe hielt: "Erst war es schwer. Mir brach die Stimme, doch bald wurde daraus eine wunderbare, glückliche Erinnerung."

Die Spanierin Maria Carmen Gonzales, seit 25 Jahren in der Verwaltung der Hochschule tätig, trägt den tiefen Flamenco-Gesang ihrer Heimat im Herzen. Sie wird ein Gedicht von Juan Ramón Jiménez vortragen, die passende Melodie kommt von Jakob Wagners Gitarre. Der junge Musiker hat die Proben von Anfang an begleitet und sagt darüber: "Ich bewundere es, wie diese Menschen ihre Seele und ihre Verletzlichkeit auf der Bühne preisgeben."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort