Auftritt von „Deine Freunde“ in Düsseldorf Hip-Hop für Kinder - Jonar besucht sein erstes Konzert

Düsseldorf · Jonar ist fünf und hat keinen Schimmer, was Hip-Hop ist. Aber er mag die Band „Deine Freunde“. Sogar sehr. Nun war er beim Konzert.

 Für „Deine Freunde“ mit Ohrschützern ins Stahlwerk: Dirk Weber (r.) besucht zum ersten Mal mit seinem fünfjährigen Sohn ein Konzert.

Für „Deine Freunde“ mit Ohrschützern ins Stahlwerk: Dirk Weber (r.) besucht zum ersten Mal mit seinem fünfjährigen Sohn ein Konzert.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Mein Sohn ist vor Kurzem fünf geworden und wiegt 19 Kilo, aber dazu später mehr. Jeden Morgen vor der Arbeit fahre ich ihn mit dem Auto zur Kita. Die Strecke entspricht ziemlich genau zweieinhalb Liedern.

Anfangs haben wir das übliche Dutzi-Dutzi-Zeug gehört, Simone Sommerland und die Kita-Frösche. Doch in letzter Zeit beobachte ich, wie sich der Musikgeschmack meines Sohnes verfeinert. Er hört jetzt Die Toten Hosen, Wanda und immer wieder Deine Freunde. Das ist deutscher Hip-Hop für Kinder.

Das mit dem Konzert war meine Idee. Mein Sohn wollte eigentlich zu Rammstein, weil die so eine supercoole Pyro-Show abfackeln. Ich fand Deine Freunde altersgemäßer. Ich meine, er ist fünf. Er war noch nie bei einem Konzert. Ich habe mit fünf die Vogelhochzeit geträllert.

Außerdem sind Deine Freunde eine der wenigen Kinderbands, bei denen die Eltern nicht gleich würgen müssen, wenn sie die Musik hören. Die Texte sind hübsch ironisch und voll popkultureller Anspielungen. Dasselbe gilt für die Musik, die genauso gut bei Deichkind, Fünf Sterne Deluxe oder Fettes Brot laufen könnte. Jonar, so heißt mein Sohn, mag Deine Freunde, weil sie das böse Wort sagen: „Scheiße“.

Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Ich wusste nur: Das Konzert ist ausverkauft, seit Monaten. Etwa 1000 Besucher passen ins Düsseldorfer Stahlwerk. Sicher würden auch viele Eltern kommen, aber eben noch mehr Kinder. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie viel Krach sie machen können, wenn man sie lässt.

Vor dem Einlass muss ich Jonar ein Notfallbändchen mit meiner Handynummer ans Handgelenk binden. Man weiß ja nie. Schon beim Eintreffen begegnet uns ein Kind mit Nasenbluten. Auf dem Flur zur Garderobe hatte sich gerade ein anderes übergeben und wird nun von der Mutter eilig zur Toilette geschleppt. Überall sind Kinder, die Fangen spielen, schreien und Pizza essen. Es ist wie ein aus dem Ruder laufender Kindergeburtstag oder, wie Jonar sich ausdrückt: „Verdammt cool.“ Es ist erst kurz nach fünf Uhr nachmittags.

Während wir in der Garderobe anstehen, wummern im Saal die ersten Bässe gegen die Wände. Dort angekommen, ist alles dunkel, bis auf ein paar Lichtblitzer. Auf der Bühne stehen die beiden Rapper Florian Sump (37) und Lukas Nimscheck (30) sowie der DJ Markus Pauli (40) und performen „Keine Märchen“. So heißt das aktuelle Album der drei. Der Saal ist voll, um nicht zu sagen voll-voll.

Es soll einen Kinderbereich direkt vor der Bühne geben, aber ich finde den Eingang nicht. Also beschließe ich, Jonar auf die Schultern zu nehmen – wie gesagt, er wiegt 19 Kilo – und mich ein Stück nach vorne zu drängeln. 19 Kilo, aus denen mit der Zeit gefühlte 91 werden.

Die Ohrenschützer, die wir für Jonar mitgenommen haben, mag er nicht aufziehen. Stimmt, denke ich, die Lautstärke ist okay. Zumindest, wenn man wie wir, etwa 20 Meter weit von der Bühne entfernt steht. Um mich herum lauter Leidensgenossen; andere Väter, die ihre Kinder auf den Schultern tragen; Eltern, die die Texte auswendig mitsingen können, weil sie sie so oft mitanhören mussten, aber auch Eltern, die sich ein Bierchen genehmigen, weil sie jetzt für die nächsten 90 Minuten kinderfrei haben. „Wisst ihr“, fragt Sump, „was der Unterschied zwischen Kindern und Eltern ist? Die Kinder halten kein Handy in der Hand.“

Die ersten Lieder sind ein Crashkurs in Sachen Verhaltensregeln, und Jonar lernt schnell: mitklatschen im Takt, mit den Armen hin und her schwenken und hüpfen, auch wenn der Vater drunter steht. Die Refrains werden aus vollem Halse mitgequäkt. In den Strophen rappt Jonar dann irgendetwas, das mit dem Originaltext nur am Rande zu tun hat.

Als bei „Du bist aber groß geworden“ überlebensgroße Comicfiguren von Deine Freunde aufgeblasen werden, sagt er: „Papa, wann kommen die wieder weg? Ich sehe nichts.“ Als ich Jonar frage, ob er auch mal nach vorne möchte – mittlerweile habe ich den Eingang zum Kinderbereich entdeckt – macht er sich auf den Weg, vorbei an fremden Beinen und steht nach zehn Sekunden wieder neben mir. „Zu voll. Ich will wieder auf deine Schultern.“

Als der Zugabenblock beginnt, verschwinden die Musiker kurz von der Bühne, um hautnah neben uns wieder aufzutauchen. „Nicht erschrecken“, rufen sie, „wir sind‘s nur.“ „Attacke“, ruft Jonar. Dann sollen sich alle Kinder auf den Boden setzen. „Wie hat euch das Konzert gefallen“, wollen sie von ihren Fans wissen. Ein Junge meldet sich: „Gut“, sagt er. Findet Jonar auch. Mehr sagt er nicht. Später, als wir im Auto sitzen, fügt er noch hinzu: „Schade, dass sie nicht das böse Wort gespielt haben.“ Scheiße, sage ich.

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