Düsseldorf Auch Niedecken singt gegen Populisten

Düsseldorf · Es kommt nicht allzu oft vor, dass Kölner in Düsseldorf mit großem Jubel begrüßt werden, stehen die beiden Städte doch - quasi per ungeschriebenem - Gesetz in ständigem Wettstreit. Beim Konzert von BAP war davon jedoch nichts zu spüren. Den einzigen möglichen Streitpunkt räumte Frontmann Wolfgang Niedecken schon ganz zu Beginn aus dem Weg. Die Toten Hosen hätten ihm einen Kasten Wein in den Backstage Bereich stellen lassen, "damit es gar nicht erst zu den ewigen Bierdiskussionen kommt". Lieber solle man sich auf die Musik konzentrieren.

Eine gute Entscheidung: Für mehr als zweieinhalb Stunden entführte der 65-Jährige das Publikum, gemeinsam mit seiner fünfköpfigen Band, auf eine musikalische Reise. Durch 40 Jahre Band- aber auch, Zeitgeschichte. Unter dem Motto "die beliebtesten Lieder" spielten sie die, für sie, wichtigsten Stücke der letzten Jahre. Gepaart mit Anekdoten von vergangenen Konzerten, Wetten-dass-Auftritten und Reisen. Dazu gab es Video- und Fotoschnipsel und vor allem: ein textsicheres Publikum. Immer wieder animierte Niedecken den fast ausverkauften Saal mitzusingen und quittierte das Talent der Düsseldorfer mit einem augenzwinkernden: "Klasse, damit kämet ihr auch bei uns in der Südkurve durch." Die Chemie zwischen ihm und dem Publikum stimmt: man kennt sich, man mag sich. Musikalisch ist der Abend gelungen. Niedecken singt seine Lieder mit der für ihn typischen, durchdringend emotionalen Stärke. Er ist ein Geschichtenerzähler - auch wenn man diese Geschichten nur bei genauem Hinhören versteht, schließlich singt er op platt.

Von seiner Band erhält er dafür die perfekte musikalische Begleitung. Die Gitarren sind stark, das Schlagzeug treibend und die Streicher mal filigran-zart, mal heiter und lebendig, fast tänzelnd. Besonders beeindruckend: keiner der Musiker spielt nur ein einziges Instrument, teilweise wechseln sie bis zu acht Mal - spielen im einen Lied Posaune und im nächsten Cello. Und jedes Mal ist es unglaublich starke melodische Rockmusik, die dabei entsteht.

Einer der wohl eindrücklichsten Momente befindet sich in der Mitte des Konzertes. Nach einem umjubelten Block alter Lieder, kündigt Niedecken ein neues Stück an und singt dieses komplett auf Hochdeutsch. Denn ihm ist wichtig, dass jeder die Botschaft von "Absurdistan" versteht: es sei höchste Zeit gemeinsam aufzustehen, gegen Populismus und "Schwachmaten, wie den, der letzte Woche in Amerika gewonnen hat". Hier zeigt sich der politische Mensch Niedecken.

Gegen Ende des Konzertes ist es dann so weit; die ersten Takte von "Verdamp lang her" erklingen. Und der komplette Saal springt auf - steht, klatscht, jubelt. Dass Niedecken dieses Lied als letztes Stück wählt, ist in doppelter Hinsicht bedeutsam: zum einen markiert es einen seiner wohl größten Erfolge, zum anderen reflektiert es auch seine Zeit als Musiker. Vier Jahrzehnte sind nun mal eine verdammt lange Zeit.

(RP)
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