Düsseldorf Alles fließt, alles ist eins

Düsseldorf · Murray Perahia gab einen großartigen Klavierabend in der Tonhalle.

 Der Pianist Murray Perahia spielte Schubert, Mozart und Beethoven.

Der Pianist Murray Perahia spielte Schubert, Mozart und Beethoven.

Foto: Diesner

Das Rampenlicht verschreckt Murray Perahia immer noch ein wenig. Dabei hat der nun schon fast 70-jährige amerikanische Pianist sein ganzes Künstlerleben darin gestanden. Dennoch blinzelt er, schaut scheu auf den Boden, verbeugt sich steif und ist dann froh, mit sich und dem Flügel allein zu sein, auch wenn all die Leute in der Tonhalle zuhören. Nur einmal bei seinem Recital in der Heinersdorff-Reihe zeigt er so etwas wie eine Reaktion aufs Publikum, als er inständig bittend die begnadeten Hände zum Mund führt, als einige Begeisterte mit Applaus nach dem As-Dur-Impromptu seine Schubert-Seligkeit störten. Danach traut sich niemand mehr, auch nur einen Mucks zu machen, ehe Perahia nicht von seinem Hocker aufsteht.

Perahias Wille zum großen Bogen ist schon fast manisch. Bachs Französischer Suite E-Dur streicht er gewissermaßen die Satz-Titel, setzt allenfalls die Sarabande mit ihren langen Trillerketten ab aus dem Fluss der acht Tänze, deren letzte vier sich als Polonaise-Bourrée-Menuet-Gigue ohne Komma ineinanderfügen. Alles fließt, alles ist eins, alles ist schön.

Und alles klingt. Perahias Anschlag kitzelt die warmen, singenden Register aus dem Steinway, sein Spiel hat nichts Perkussives (selbst bei der "Ragtime"-Variation in Beethovens letzter Sonate nicht), sondern ist einer unendlichen Klangfarbenmelodie geweiht. Bach wird so sinnlich, anti-intellektuell. Schubert weist auf diese Art ins Surreale, die vier Impromptus sind bei Perahia jedenfalls nicht von dieser Welt.

Mozarts spätes a-Moll-Rondo verlangt dann den ganzen Virtuosen an den Tasten, sein ganz untypisch düsterer Ton fügt sich organisch in den großen Bogen dieses Abends, der in Beethovens Opus 111 mündet, jener von der Rezeptionsgeschichte geradezu verklärten letzten Klaviersonate des Meisters. Perahia pfeift auf Pathos, auch wenn seine Gesten plakativer werden. Er zwingt den holzschnittartigen ersten Satz in eine strenges, flüssiges Metrum, kostet die Entrückungen der Arietta-Variationen förmlich selig aus. - Ovationen.

(RP)
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