Interview Alexander Nitzberg „Es ist eine echte Groteske“

Düsseldorf · Der frühere Düsseldorfer Lyriker übersetzte Michail Bulgakow fürs Schauspielhaus.

Alexander Nitzberg zur Bulgakow-Premiere im Schauspielhaus Düsseldorf
Foto: Friedrich, Brigitte

Das Schauspiel feiert mit der Dramatiserung einer Erzählung von Michail Bulgakow an diesem Wochenende eine neue Premiere. Der frühere Düsseldorfer Lyriker und Übersetzer Alexander Nitzberg hat den Text aus dem Russischen neu übersetzt.

Warum ist Ihnen als Titel „Das hündische Herz“ lieber als „Das Hundeherz“?

Nitzberg „Hundeherz“ klingt mir zu sehr nach dem leiblichen Herzen eines Hundes. Und ein solches kommt in Bulgakows kleinem Roman ja überhaupt nicht vor! Dort ist es nicht der Hund, der den Menschen mit seinem Herzen „verdirbt“. Ganz im Gegenteil, es ist der Mensch, der mit seiner Flegelhaftigkeit den liebenswürdigen, beinahe schon aristokratisch gesinnten Rüden aus dem Hundekörper verdrängt. Und es sind genau diese (wohlgemerkt menschlichen) Charaktereigenschaften, die „hündisch“ sind. Wie im Deutschen hat der russische Ausdruck „sobatschje“ eine Unzahl von Bedeutungen, die allesamt auf ein moralisches Fehlverhalten hinweisen.

Was ist die Erzählung eigentlich: eine Satire, eine Gruselgeschichte, ein politisches Manifest?

Nitzberg Ich glaube, es ist eine echte Bulgakowsche Groteske. Er genießt es, die widersprüchlichsten Typen auf engstem Raum aufeinander stoßen zu lassen und zu schauen, was passiert. Es ist mehr als nur politisch. Ihn interessieren Kräfte, die hinter den äußeren Erscheinungen stehen, auch hinter jenen der Politik und der Gesellschaft. Oft erweisen sich diese Kräfte als jenseitig.

Was war Ihnen bei Ihrer Übersetzung wichtig?

Nitzberg Ein besonderer Akzent wurde auf den Klang und die Rhythmik gelegt. Bei Bulgakow knistern förmlich die Silben, man vernimmt im Hintergrund ein dynamisches Pumpen. Die Sprache stößt andauernd an ihre Grenzen. Es ist die Sprache der Moderne, mit ihrem Zickzack, mit ihren jazzigen Synkopen, mit ihren expressionistischen gebrochenen Bildern. In einem Stück Literatur ist das mehr als nur ein äußeres Gewand, das eventuell austauschbar wäre. Es ist die eigentliche Seele des Werks! Und um diese Plastizität nachzuerschaffen, nehme ich mir alle Freiheiten der Welt.

Worin liegt die Aktualität?

Nitzberg In seiner Doppelbödigkeit. Gut und Böse sind im Leben Begriffe, die fließend sind. Daran kranken vor allem die Versuche, den Menschen künstlich gut zu machen. Das ist heute wieder äußerst brisant: Denken Sie nur einmal an die politisch korrekten Sprachregelungen.

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