Düsseldorf Achenbach und die Kunst des Spekulierens

Düsseldorf · Der Fall des in Haft sitzenden Kunstberaters beflügelt die Fantasie der Beobachter mit immer neuen Denkspielen.

Kunstberater und Ex-Fortuna-Präsident: Das ist Helge Achenbach
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Kunstberater und Ex-Fortuna-Präsident: Das ist Helge Achenbach

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Foto: Endermann, Andreas

Die Untersuchungshaft des Düsseldorfer Kunstberaters Helge Achenbach (62) geht in die sechste Woche, ein Ende ist trotz des Bemühens seiner Anwälte nicht absehbar. Betrogen soll er einige Kunden haben, vor allem Berthold Albrecht, den 2012 gestorbenen Chef von Aldi-Nord. Das behauptet dessen Witwe Babette und hat aufgrund eines detaillierten Berichtes eine Anzeige erstattet, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Essen und am Ende den Haftbefehl zur Folge hatten. Zentrale Fragen sind zu klären:

Wie wird der Schaden beziffert?

Die einzig halbwegs konkrete Zahl ist die aus der Geschäftsbeziehung Achenbach-Albrecht. Da war zuerst von 16 Millionen die Rede gewesen, später ging man von 20 Millionen aus, inzwischen hält man 30 Millionen für denkbar. Da Achenbach und Albrecht Geschäfte in einem Volumen von 120 Millionen machten, ist die Summe realistisch - sofern man von einem "Schaden" sprechen kann, was sich womöglich erst in einem Prozess entscheiden könnte.

Wie definiert sich der Schaden?

Das ist der Knackpunkt dieses Falles: Wurde ein Werk zum Betrag X eingekauft und mit deutlichem Aufschlag zum Betrag Y weiterverkauft, ist das noch kein Schaden, sondern in dieser Branche auch dann noch normal, wenn der Aufschlag im siebenstelligen Bereich lag. Betrügerisch im Sinne des Strafgesetzbuch ist dieser Aufschlag erst, wenn er durch Fälschungen oder andere Tricks erreicht wurde. Das soll Achenbach getan haben, indem er Rechnungen fälschte, sagt die Staatsanwaltschaft. Ihr liegen nach eigenen Aussagen entsprechende Beweise vor.

Ist eine viele höhere Schadenssumme denkbar?

Ja. Das Handelsblatt spekuliert in seiner Dienstagausgabe von 60 Millionen. Aber auch da gilt: Es kommt auf die Vereinbarungen oder die Definition an. Da man davon ausgehen muss (das tut auch die Staatsanwaltschaft), dass Achenbach auch an andere verkauft hat, wird man nun Fälle untersuchen, in der die Differenz zwischen Einkaufssumme eines Werkes und Verkaufssumme besonders groß war.

Wie erfahren die Fahnder von solchen Geschäften?

Nur, wenn es Unterlagen gibt oder die Kunden sich melden. Und das werden sie nur tun, wenn sie Anlass zu Misstrauen haben und ihr Verhalten selbst für korrekt halten. Sie werden es nicht tun, wenn das gekaufte Werk inzwischen ein Vielfaches an Wert gewonnen hat oder sie seinerzeit das Geschäft mit Geld abgewickelt haben, das am Finanzamt vorbeigeschleust werden sollte.

Es existiert eine so genannte Einkaufsliste, auf der die von Achenbach ge- und verkauften Werke aufgeführt sind - welche Bedeutung hat diese Liste?

Da auf diesem Dokument keine Namen von Käufern auftauchen, hilft sie nur, sich einen Eindruck vom Umfang des Handels zu machen. Das Handelsblatt hat den Wert der dort gekauften Stücke addiert und kommt auf rund 38 Millionen, weiterverkauft wurden die Stücke für rund 49 Millionen - eine Differenz von etwa elf Millionen Euro also. Bei dieser Menge von teilweise mehrere Millionen Euro kostenden Stücke ist das nicht viel und kein Hinweise auf betrügerische Draufschläge.

Die Liste ist Anlass für die Vermutung, schon in den 1980er Jahren könnte es Betrügereien gegeben haben - stimmt das?

Betrügereien wird man das Ganze erst nennen können, wenn das Gericht diesen Tatbestand feststellt. Dass Achenbach bereits in den 1980er Jahren Werke von heute sehr teuren Künstlern einkaufte, ist wahr - es war ja Teil seines Erfolges, dass er beispielsweise Werke von Gerhard Richter und Andreas Gursky erworben hatte, als diese nur einen Bruchteil von dem kosteten, was sie heute bringen. Beispiel: Gerhard Richter verkaufte der Victoria-Versicherung (heute Ergo) 1984 zwei Bilder für 290 000 D-Mark. Sammler würden dafür heute über 20 Millionen zahlen. Bei Gursky ist die Steigerung nicht ganz so groß, aber auch noch verblüffend.

Wissen und profitieren die Künstler eigentlich davon?

Natürlich wissen sie das, und gerade Gursky und Richter haben solche Steigerungen oft kritisiert. Sie profitieren nicht immer: Haben sie ein Werk einmal verkauft und es kommt wieder in den Handel, freut sich der Vorbesitzer über den enormen Gewinn - nicht der Künstler.

(RP)
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