Zum Jubiläum 70 Jahre politisches Kabarett im Kom(m)ödchen in Düsseldorf

Düsseldorf · Mit literarischem Kabarett machten Kay und Lore Lorentz das Kom(m)ödchen in Düsseldorf zu einer Institution in der deutschen Bühnenlandschaft. Heute schreibt das Hausensemble die Tradition fort. Zum Jubiläum gibt es ein Sonderprogramm.

 Harald Schmidt (l.), Jutta Hahn und Hugo Egon Balder 1986 mit ihrem Programm "Wir müssen dran glauben" im Kom(m)ödchen.

Harald Schmidt (l.), Jutta Hahn und Hugo Egon Balder 1986 mit ihrem Programm "Wir müssen dran glauben" im Kom(m)ödchen.

Foto: WDR

Natürlich ist Altwerden eine Kunst. Zumal für ein Kabarett, das doch ganz der Gegenwart verpfichtet ist. Das Kom(m)ödchen hat es jedenfalls geschafft, genau so viel Jetztzeit aufzusaugen, dass seine Programme die Menschen berühren, und zugleich so weit über den Dingen zu stehen, dass der Zuschauer lästerliche Distanz gewinnt. Und mit den Künstlern lachen kann über die Lächerlichkeiten des Seins. Das hat so viel zeitlose Qualität, dass die Bühne heute 70 Jahre alt wird.

 Grand Dame des deutschen Kabaretts und Gründerin des Kom(m)ödchens Lore Lorentz (l.), hier mit Ernst H. Hilbig

Grand Dame des deutschen Kabaretts und Gründerin des Kom(m)ödchens Lore Lorentz (l.), hier mit Ernst H. Hilbig

Foto: Kommödchen

Am 29. März 1947 feierte das erste Programm "...positiv dagegen!" im Hinterzimmer einer Kneipe Premiere. So kurz nach dem Krieg traten die Gründer Kay und Lore Lorentz an, die Deutschen am Verdrängen zu hindern und politisches Kabarett mit literarischem Anspruch als einen Ausdruck gelebter Demokratie zu etablieren. Sie taten das mit so viel Biss und künstlerischem Können, dass das Theater, das 1967 in die Räume unterhalb der Kunsthalle zog, zu einer ersten Adresse in der Republik wurde. Mit dem aufklärerischen Elan der Nachkriegsjahre machten sie ihr kleines Theater groß.

An ihren Sohn fiel die Aufgabe, die Bühne durch bewegte Zeiten und kabarettistische Moden zu führen und vor allem das: lebendig zu halten. Als Kay Lorentz das Theater 1995 übernahm, hatte er zu kämpfen - und besann sich auf das Markenzeichen der Bühne: die Ensemblearbeit. Das war ein Wagnis in Zeiten, da auch im Kabarett immer mehr Einzelkämpfer antraten, mit Fernsehen so berühmt zu werden, dass sie riesige Hallen füllen könnten. Das Kom(m)ödchen ist immer Talentschmiede gewesen und spöttische Größen wie Harald Schmidt, Thomas Freitag, Jochen Busse, Dieter Nuhr waren und sind dort oft zu Gast. Aber zugleich war das Kom(m)ödchen immer auch ein kleines, bissiges Stadttheater, in dem ein festes Ensemble der Bürgerschaft den Spiegel vorhielt. Und das dankte durch Treue.

 Thomas Freitag spielte 1987 im Kom(m)ödchen-Programm "Das ist Ihr Problem!" mit.

Thomas Freitag spielte 1987 im Kom(m)ödchen-Programm "Das ist Ihr Problem!" mit.

Foto: Kommödchen

So ist das Kom(m)ödchen heute die älteste Kabarettbühne Deutschlands. Und wie das Theater am Rande der Altstadt mit diesem Jubiläum verfährt, sagt viel über die widerborstige Qualität des Hauses. Gefeiert wird nämlich nicht. Zumindest wird kein Festakt zelebriert mit Lobreden, Ehrengästen, Langeweile. Vielmehr greift einer der Denker der Bühne in die Tasten: Kabarettist, Pianist und Autor Christian Ehring wird 70 Jahre Kabarett-Geschichte auf 30 Minuten zusammenschnurren lassen und diesen satirischen Rückblick am 7. Juli mehrfach im Kom(m)ödchen zum Besten geben. Am eigentlichen Geburtstag heute aber steht das Ensemble auf der Bühne mit einer aktuellen Ausgabe von "Deutschland gucken". Die Selbstfeier bleibt aus. Stattdessen wird gearbeitet.

Natürlich ist das ein selbstbewusstes Zeichen. Es geht ihm gut, dem Kom(m)ödchen, das ohne finanzielle Unterstützung durch die Stadt zu einer kabarettistischen Institution wurde, für die sich Düsseldorf heute rühmt. Dieser Erfolg hat viel mit dem Ensemble zu tun, das einen eigenen Weg gefunden hat mit kritischem Witz, aber ohne moralische Überheblichkeit die Gegenwart zu verhandeln. In wechselnder Besetzung schlüpfen Maike Kühl, Heiko Seidel, Christian Ehring, Daniel Graf und Martin Maier-Bode in Figuren, die aus der Wirklichkeit ihres Publikums gegriffen sind. Boulevardeskes Kabarett oder kabarettistischen Boulevard nennen das manche.

 Das aktuelle Ensemble (v. links): Daniel Graf, Christian Ehring, Martin Maier-Bode, Heiko Seidel, Maike Kühl und der Chef Kay Lorentz.

Das aktuelle Ensemble (v. links): Daniel Graf, Christian Ehring, Martin Maier-Bode, Heiko Seidel, Maike Kühl und der Chef Kay Lorentz.

Foto: kommödchen

Theaterchef Kay Lorentz sagt: "Früher kamen Kabarettisten auf die Bühne und hatten zwei Stunden lang Recht. Heute erzählen wir eher Geschichten, in denen sich die Leute wiederfinden, aber am roten Faden dieser Geschichten hängen wir immer noch politische Themen auf." Anscheinend fühlen sich die Menschen im Kom(m)ödchen nicht bevormundet und wollen "ihr Ensemble" immer wieder sehen. Jedenfalls ist es das Stammpublikum aus dem Großraum Düsseldorf, das die Bühne heute trägt.

Das hohe Lied des politischen Kabaretts stimmen Lore Lorentz' Erben nicht mehr an. Dafür spielen sie Kommödchen, die das Leben schreibt. Nur bissiger, böser, unterhaltsamer. Politisch ist das allemal.

(dok)
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