Analyse Kultur ohne Plan

Düsseldorf · In Düsseldorf will man gerade nicht einmal mehr darüber entscheiden, ob ein Museum neu angestrichen werden soll. Die Lösung für so ziemlich alle Probleme soll ein "Kulturentwicklungsplan" bringen. Kann das gutgehen?

Das Theatermuseum bekommt bald ein neues Dach. Das muss passieren, denn sonst drohen Folgeschäden. Die Chance, bei dieser Gelegenheit gleich auch die Fassade anzustreichen, nutzt die Stadt aber überraschenderweise nicht. Man wisse schließlich nicht, ob das Museum überhaupt am Hofgarten bleibt, heißt es.

Man weiß gerade so ziemlich gar nichts mehr in der Kulturpolitik. Schuld ist der Kulturentwicklungsplan. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP lässt bis Ende kommenden Jahres dieses Papier erstellen. Es soll Leitlinien für die Kulturpolitik festlegen - offenbar bis hin zu der Frage, welche Schönheitsreparaturen an Museen sich lohnen. Akteure und Bürger sollen bei der Erstellung mitwirken, es sind öffentliche Workshops geplant. Bis das Ergebnis frühestens Ende 2016 vorliegt, scheint man sich auf Stillstand verständigt zu haben.

Ein Berater aus Berlin, Patrick S. Föhl, und die in Bonn ansässige "kulturpolitische Gesellschaft" sollen die Erstellung moderieren. Föhl ist am Sonntag bei einer Diskussion zu Gast, zu der die Freie-Szene-Gruppe um Akademie-Rektorin Rita McBride lädt (15 Uhr, FFT, Jahnstr. 3). Das ist noch nicht der offizielle Auftakt, aber ein erster öffentlicher Auftritt des Verantwortlichen - der hoffentlich weiß, auf was er sich da eingelassen hat.

Mehr als ein Jahr nach dem Machtwechsel im Rathaus herrscht in der Kultur eine kuriose Situation. Auf der einen Seite ist in der Stadt eine Aufbruchsstimmung zu spüren, wie es sie seit langem nicht mehr gab. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat angekündigt, vieles anpacken zu wollen und auch nicht vor Widerständen in dieser - so Geisel - "vermachteten" Welt am Tropf von öffentlichen Subventionen zurückzuschrecken. In der freien Szene macht man sich derweil Hoffnungen, mehr gehört und besser unterstützt zu werden. Auch in den städtischen Instituten wittern zumindest die, die Reformen offen gegenüberstehen, eine große Chance, manches nicht mehr einfach weiterzumachen, weil man es immer so gemacht hat.

Auf der anderen Seite sind Verwaltung und Fraktionen von richtungsweisenden Beschlüssen nach wie vor weit entfernt. Auf Anfrage der CDU räumte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe im Kulturausschuss ein, die städtische Arbeitsgruppe zur lange diskutierten Strukturreform der Museen tage schon länger nicht mehr.

Die entscheidenden Impulse für eine Weiterentwicklung der Museen soll nun der Kulturentwicklungsplan bringen - und das ist nur eine von vielen großen Aufgaben. So richtig hat noch niemand festgelegt, was der Plan alles beinhalten soll, und wenn Föhl und Kollegen nicht aufpassen, müssen sie sich mit allen Baustellen befassen, die Politik und Verwaltung seit Jahren nicht in den Griff bekommen.

Um in der Kultur wieder handlungsfähig zu werden, muss nämlich auch geklärt werden, wie sich die immensen Kosten für die Sanierung der Kulturbauten senken lassen - sonst bleibt für Inhalte wenig übrig. Damit hängt auch zusammen, ob sich ein neuer Anstrich für das Hofgärtnerhaus lohnt oder das Theatermuseum besser umzieht.

Der Kulturdezernent wünscht sich zudem Ideen für das Marketing, noch so ein Thema, in dem es schon lange nicht vorangeht. Und dann soll der Kulturentwicklungsplan sich natürlich auch ums große Ganze kümmern: Die Politik will Erkenntnisse, was die Düsseldorfer Kultur überhaupt ausmacht, wie sich Fördergelder transparenter verteilen lassen, warum die Akteure so schlecht vernetzt sind - und warum so ziemlich alle das Gefühl haben, dass Düsseldorf viel mehr Potenzial in der Kultur hat, als bislang zum Vorschein kommt.

Kann der Kulturentwicklungsplan das alles in einem Jahr leisten? Wohl kaum. Die erste Aufgabe bei seiner Erstellung besteht deshalb hoffentlich darin, konkreter zu klären, was er soll - und an welchen Projekten die Kulturverwaltung im kommenden Jahr trotzdem weiterarbeiten kann. Bei diesen hohen Erwartungen wird der lange erwartete Plan sonst vor allem eins: eine große Enttäuschung.

(arl)
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