Bruno Braun und Hartmut Miksch "Kultur hätte der Innenstadt gut getan"

Düsseldorf · Die Chefs der beiden Architektenbünde halten Düsseldorf für sehr attraktiv, sehen aber einige Fehler. In der neuen City soll es zumindest Kleinkunst geben, die Bearbeitungsdauer der Bauanträge ist für sie nach wie vor "eine Katastrophe".

Schön, dass Sie durch den Stau zu uns in die Schadow Arkaden gefunden haben. Warum kommen so viele Menschen hierhin?

Braun Fahren Sie mal in andere Städte, dann wissen Sie, warum die Menschen hierherkommen. Ich baue viel im Emsland, auch dort höre ich, dass die Leute gern nach Düsseldorf fahren. MIKSCH Wir haben ja auch eine tolle Stadt, viele unterschiedliche Quartiere und Atmosphären. Davon wird man angezogen - trotz der Baustellen. Wir warten natürlich darauf, dass die Innenstadt mal zur Ruhe kommt.

Es wird aber weiter gebaut, beispielsweise das Ingenhoven-Tal am Schauspielhaus. Wie wird unsere Innenstadt danach aussehen?

Miksch Das wird noch einmal eine besondere Attraktion an dieser Stelle. Erst dann wird man die Platzsituation mit Dreischeibenhaus, Schauspielhaus und Ingenhoven-Bau überhaupt erst erleben können. Die City bietet Einkaufswelten, eine Glitzerwelt, die anlockt. BRAUN Da stimme ich zu. Es ist das Flair einer Großstadt. Das Flanieren schafft den Mehrwert. Ich finde aber, dass man bei dieser Innenstadtentwicklung auch der Kultur einen Ort hätte geben müssen. Etwas, dass man neben dem Einkaufen genießen kann. In diesem Punkt hat man eine Chance vertan, weil man den Kö-Bogen nicht zum Kulturbogen gemacht hat.

An was denken Sie?

Braun Haus der Universität, Kleintheater, experimentelle Ausstellungen, Balletthaus. Oder ein Architekturmuseum - wir hatten die wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts in der Stadt, und die Nachlässe sind in Berlin, München und Frankfurt. MIKSCH Wenn sich in den Gebäuden kein Kulturangebot mehr realisieren lässt, sollten es zumindest Kleinkunst auf dem Platz geben wie beim Centre Pompidou in Paris.

Nach der Innenstadt will die neue Stadtregierung mehr für die Stadtteile tun. Wie sehen Sie das?

Miksch Ein guter Ansatz. In Garath beispielsweise gibt es viele Vier-Zimmer-Wohnungen mit kleinen Räumen, die man umgestalten, den Bedürfnissen anpassen müsste. Das wäre für ältere Menschen, die dort bleiben möchten, genau richtig. Für junge Familien und Senioren wäre auch das innerstädtische Quartier zwischen Hauptbahnhof, Berliner Allee und Graf-Adolf-Straße wunderbar geeignet. Es ist aber vernachlässigt worden.

Die Mieten steigen dort aber schon.

miksch Man muss das Quartier aufwerten, aber dabei aufpassen, dass dieser Prozess nicht gleich zu einer Verdrängung führt, wie wir sie in Flingern-Nord beobachten.

Wie verhindert man das?

braun Das beste Beispiel ist Bilk. Das war doch lange quasi unbewohnt und ist dann auf richtige Weise aufgewertet worden. Die Straßen wurden teils beruhigt, Anwohnerzonen eingerichtet, Poller gesetzt. Natürlich wohnen dort nicht mehr so viele Studenten wie zu meiner Zeit.

Was ist mit Umnutzungen?

Braun Für mich eine ebenso wichtige Aufgabe. Schauen Sie sich die Immermann- oder die Karlstraße an. Dort gibt es zahlreiche Leerstände.

Wie kann man das ankurbeln?

miksch Die Eigentümer müssen verstehen, dass sie Büroräume nicht mehr vermieten können. Die Stadt sollte ein Kataster aufstellen, wo die leerstehenden Gebäude sind, und durch Förderung Anreize setzen. BRAUN Wir brauchen integrierte Quartiersentwicklungen, bei denen auch auf Stellplätze verzichtet werden kann. Es gibt Bürogebäude ohne Stellplätze, die bei Wohngebäuden Pflicht sind. Die Parkplätze kann man aber in der Innenstadt gar nicht schaffen, und durch die Ablöse werden die Projekte und damit die Mieten teurer. Der gewünschte Effekt verpufft.

Wie werden denn die Bestandsmieter bei solchen Projekten geschützt? Die Grünen konnten sich ja bei den Koalitionsverhandlungen mit der Forderung nach einer Milieuschutzsa-tzung nicht durchsetzen.

Braun Ich bin bei solchen Instrumenten skeptisch, auch wenn es die bereits gibt, etwa in Hamburg. MIKSCH Ich bin ebenfalls gegen eine solche Satzung, denn wenn das eine Viertel geschützt ist, wird es eben im nächsten teurer. BRAUN Obgleich: Beim Andreasquartier in der Ratinger Straße, das derzeit entsteht, hätte ich mir gewünscht, dass im Erdgeschoss der Charakter der Straße und des Umfelds gesichert worden wäre - etwa mit Galerien und Künstlern der Akademie. MIKSCH Das hätte man auch in einem städtebaulichen Vertrag absichern können, aber man wollte lieber zum Höchstpreis verkaufen. BRAUN Düsseldorf ist zu einer Stadt der Investorenwettbewerbe verkommen, die Bürgerbeteiligung kam immer zu kurz. Dazu steht endlich im Ampelvertrag etwas Gutes. Jetzt werden Wettbewerbe nach den Maßgaben der Architektenkammer durchgeführt.

Was muss sich noch bessern?

BRaun Die Bearbeitungsdauer von Bauanträgen ist nach wie vor eine Katastrophe. Es gibt Investoren, die sich von der Stadt abwenden. MIKSCH Es gibt aber auch einige Investoren, die bekommen einen Koordinator zur Seite gestellt, andere nicht. Die Mitarbeiter im Amt sind überlastet. BRAUN Und sie dürfen nicht entscheiden, alles muss nach oben, und es dauert zu lang, bis es wieder unten ankommt.

Läuft es in anderen Städten besser?

miksch In Meerbusch. BRAUN Die Mitarbeiter dort sind kompetent, freundlich, nehmen sich Zeit, und sie dürfen entscheiden. Natürlich kann man die Größenordnung der Städte nicht vergleichen, aber methodisch ist dort das erste Gespräch eine gute Sache. Dort werden die Notwendigkeiten geklärt, die beim Antrag berücksichtig werden müssen. Aber hier: Selbst bei kleinen An- oder Ausbauten kann das Verfahren ein Dreivierteljahr dauern. Das war auch bei der Waldschänke in Vennhausen so. MIKSCH Wir bieten der Stadt an, gemeinsam Wege zu suchen, wie man aus der Misere dieser langen Bearbeitungszeiten kommt. Wir machen ja auch Fehler.

Stichwort Waldschänke: Wurde der Protest dort unterschätzt?

miksch Das hat die Wogedo, für die ich arbeite, so nicht vermutet. BRAUN Ich habe die Bürgerversammlung ja moderiert und hatte mich im Vorfeld mit allen Beteiligten zusammengesetzt. Hätte man richtig in den Stadtteil hineingehört, hätte man den Widerstand gespürt.

Sind Bürger manchmal zu unbequem?

braun Das Entscheidende ist, die Bürger am Anfang eines Planungsprozesses zu überzeugen. Es ist gut, dass die neue Koalition auf mehr Beteiligung setzt. Leider ist an der FDP gescheitert, dass ein Gestaltungsbeirat eingerichtet wird. MIKSCH Damit könnten fachlich Versierte den politischen Gremien zur Seite gestellt werden.

Die Ampel will, so steht es im Kooperationsvertrag, als erstes Großprojekt den Bahnhofsvorplatz anpacken.

Braun Dieser Platz ist peinlich, Düsseldorfs nicht würdig. Vor dort geht es zu Kö, aber man kommt im Hinterhof an. MIKSCH Das Schlimme an diesem Koalitionspapier ist: Es ist wunderschön. Die Frage ist, was tatsächlich umgesetzt wird.

DAS INTERVIEW FÜHRTEN UWE-JENS RUHNAU UND DENISA RICHTERS.

(RP)
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