Siegerentwurf für den Reeser Platz Künstler wollen Nazi-Denkmal in Düsseldorf mit Brücke durchkreuzen

Düsseldorf · Die Gruppe „Ultrastudio“ hat sich mit ihrem Entwurf für den Reeser Platz durchgesetzt. Die Beteiligten wollen kein „Gegendenkmal“ schaffen – sondern den düsteren Ort neu erlebbar machen.

 Die Mitglieder von „Ultrastudio“ Sebastian Freytag, Lars Breuer, Jürgen Wiener, Guido Münch und Christian Heuchel auf dem Reeser Platz.

Die Mitglieder von „Ultrastudio“ Sebastian Freytag, Lars Breuer, Jürgen Wiener, Guido Münch und Christian Heuchel auf dem Reeser Platz.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Es war eine knifflige Aufgabe,. Künstler sollten eine zeitgemäße Antwort auf das düstere Soldatendenkmal am Reeser Platz finden. Die Idee kam von den Ortspolitikern, für die der immer mal wieder von Neonazis genutzte Aufmarschplatz schon lange ein Ärgernis war. Aber wie könnte so eine künstlerische Antwort aussehen? Politik, Künstlerschaft und Denkmalschutz legten zu Beginn des Künstlerwettbewerbs fest, was sie nicht wollten: Das 1938 errichtete Denkmal darf nicht angetastet werden, es soll als Zeitzeugnis erhalten bleiben, auch wenn es an eine düstere Zeit erinnert. Und daneben ein einfaches „Gegendenkmal“ zu stellen – eine solche naheliegende Herangehensweise erschien den Beteiligten zu altbacken.

Was also tun? Die Gruppe „Ultrastudio“ hat die schwierige Aufgabe aus Sicht der Jury am besten gelöst. Wenn politisch nichts mehr dazwischenkommt – danach sieht es derzeit nicht aus –, wird ihr rund 800.000 Euro teurer Entwurf bald verwirklicht. Über dem grauen Monument wird bald eine rostfarbene Brücke ragen, die bewusst schräg über dem streng seitengleichen Monument liegt. Sie beginnt bereits deutlich hinter dem Denkmal, wo sich ein Spielplatz und eine Brache befinden. Die Besucher können die Brücke betreten und über das Denkmal laufen. Am Ende stehen sie über dem Aufmarschplatz und blicken in Richtung Rhein. Sebastian Freytag, einer der Künstler, spricht von einem „abstrakten Kommentar“ zu dem Denkmal – der auch dazu führen soll, dass der ausgestorbene Platz wieder stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerät.

Es geht um einen der politisch umstrittensten Orte der Stadt. Der Wettbewerb für das ursprüngliche Denkmal, das an Kriegstote des in Düsseldorf stationierten 39er-Regiments erinnern sollte, stand 1935 ganz im Geist der Nationalsozialisten. Der Entwurf des Bildhauers Richard Kuöhl wurde wenige Wochen vor Kriegsbeginn 1939 im Beisein der versammelten Nazi-Prominenz eingeweiht. Die Entstehungszeit zeigt sich auch im künstlerischen Entwurf, der den Soldatentod im Sinne der NS-Ideologie heroisiert. Der Historiker Bastian Fleermann, der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, kam jüngst in einem Gutachten zum Ergebnis, das Werk sei „nach Entstehungszeit, Kontext und Nutzung als nationalsozialistisch einzustufen“. Seit Kriegsende läuft die Debatte, was mit dem Zeitzeugnis anzufangen ist.

Die fünf Beteiligten am späteren Siegerentwurf – die Künstler Lars Breuer, Sebastian Freytag und Guido Münch, der Architekt Christian Heuchel und der Kunsthistoriker Jürgen Wiener – haben sich nicht nur mit der Geschichte des Monuments befasst, sondern auch mit seinem Umfeld. Der Reeser Platz, der an die ebenfalls aus der NS-Zeit stammenden Schlageter-Siedlung grenzt, zerfällt städtebaulich in verschiedene Zonen – die die Brücke nun verbinden soll. Sie startet auf einem Erdhügel in der Parkanlage, führt auf Betonstützen über die wilde Brache und überquert dann das Denkmal, ohne es zu berühren. „Es ist wie ein diagonaler Strich durch den Lageplan“, sagt Freytag. „Those who have crossed“, heißt der Entwurf, es ist ein Zitat aus einem Gedicht von T.S. Eliot.

Der Jury-Vorsitzende Jörg-Thomas Alvermann lobt, dass der Entwurf das gesamte Areal in den Blick nehme und dass er die Wirkung des Denkmals verändere, ohne es zu berühren. „Durch die Brücke wird die Zentralachse massiv gestört.“

 So sieht der Entwurf von „Ultrastudio“ aus.

So sieht der Entwurf von „Ultrastudio“ aus.

Foto: Sebastian Freytag

Bei Ortsterminen und per Mailwechsel haben die Künstler ihre Idee entwickelt. Freytag fand die Aufgabe auch deshalb spannend, weil man sich nicht an Beispielen aus anderen Städten habe orientieren können – für eine künstlerische Auseinandersetzung unter diesen Vorgaben sei Düsseldorf ein Vorreiter.

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