Düsseldorf Künstler schreiben Ode an das Büdchen

Düsseldorf · Das Theaterkollektiv "per.Vers." hat für die Quadriennale eine szenische Stadtführung entwickelt, die den Zuschauern sechs Kioske in Düsseldorf zeigt. Premiere ist heute Abend.

 Schauspielerin Julia Dillmann vom Theaterkollektiv "per.Vers" im Kiosk von Harry Jankowski

Schauspielerin Julia Dillmann vom Theaterkollektiv "per.Vers" im Kiosk von Harry Jankowski

Foto: Andreas Bretz

Harry Jankowski hat seine Prinzipien: Panini- und Star Wars-Bilder kommen bei dem Inhaber des Büdchens an der Herderstraße nicht in die Tüte: "Die sind viel zu teuer, da werden doch die Kinder nur über den Tisch gezogen." Auch Schnaps hat Harry, wie ihn viele hier nennen, in seinem Sortiment "runter gefahren, weil ich eine bestimmte Klientel nicht wünsche". Ansonsten aber ist der 58-Jährige, der meist im Jackett hinter dem Ladentisch steht, offen für (fast) alle Wünsche seiner Kunden. Hier kaufen sie im Vorbeigehen belegte Brötchen, Getränke, Zigaretten und Süßkram - und finden letzte Rettung, wenn im Haushalt ganz plötzlich Mehl, Salz, Milch, Eier oder auch das Klopapier ausgehen.

2010 hat der gelernte Verlagskaufmann, der mit Anfang 50 arbeitslos wurde, den Kiosk übernommen - unterstützt von Ehefrau Sabine Sowa. Die wandhoch weiß gefliesten Räume und der mächtige alte Kühlblock sind Relikte aus der Zeit, als die Metzgerei Rings dort noch Schweine geschlachtet und Wurst verkauft hat.

Sarina Lamertz ist Stammkundin. "Sie kam das erste Mal im Schlafanzug, seitdem heißt sie bei uns nur Dittsche", erzählt Sabine Sowa lachend. Die Nachbarin schwärmt von "fantastischen Menschen, die man hier trifft", und davon, dass man mit Harry super über Politik reden könne - und von dem guten Essen.

Der tägliche Mittagstisch in Harrys "BistroKiosk" macht den kleinen, aber feinen Unterschied, mit dem "Herder 30" punktet. An sieben Tagen in der Woche gibt es je zwei Tagesgerichte, die der Chef selbst zubereitet. Wer Stammgast ist, darf sich dann auch schon mal sein Leibgericht wünschen. Dass auf Wunsch auch außer Haus geliefert wird, ist selbstverständlich. Schließlich seien viele Kunden ja schon älter. Harrys Büdchen ist eben auch ein bisschen Sozialstation, wo die Menschen sich die Sorgen von der Seele reden. Aber auch ein Ort "mit hohem Spaßfaktor", versichert seine Frau.

"Ein Büdchen steht und fällt mit den Menschen, die hinter der Theke stehen", sagt die Schauspielerin Julia Dillmann. Das Theaterkollektiv per.Vers., dem sie angehört, hat im Auftrag der Quadriennale 2014 eine szenische Stadtführung entwickelt, die den Mikrokosmos Büdchen in den Fokus rückt. Das Publikum folgt Schauspielern, Sängern und Musikern zu Fuß und per Bus durch die Stadt. Sechs Kioske werden sie besuchen und für jeden hat das Ensemble eine eigene "Ode an das Büdchen" - so auch der Titel der Reihe - komponiert. Sie hoffe, dass den Teilnehmern der Tour ein neuer Blick auf die Büdchenkultur eröffnet wird, sagt Julia Dillmann. Für die Menschen, die dort hinter der Theke stehen oder als Kunden ein- und ausgehen, und für deren Geschichten. "Und natürlich wollen wir auch gut unterhalten."

Harry Jankowski freut sich auf die Premiere heute Abend. Dass jemand eine Ode an sein Büdchen singt, das, sagt er, sei schon etwas ganz Besonderes.

(RP)
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