Kriminalstatistik Kripochef: "Keine Angst in Düsseldorf"

Düsseldorf · Die Menschen in der Landeshauptstadt fühlen sich sicher, und das können sie auch, sagt der Leiter der Direktion Kriminalität. Allerdings sei die Lage Düsseldorfs auch für Straftäter ideal. Die Profis unter ihnen werde man nicht verdrängen können.

Wenn man Polizeibehörden nach ihrer Statistik fragt, ist die Reaktion fast überall gleich, und der auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt nicht unähnlich. "Jährlich grüßt das Murmeltier", seufzen etwa die Frankfurter, wenn es mal wieder heißt, die Metropole am Main sei Deutschlands kriminellste Stadt.

Die Faktoren, die dazu führen, dass in Frankfurt die Zahl der Straftaten im Verhältnis zur Einwohnerzahl horrend ist, sind ähnlich denen in Düsseldorf: Viele Pendler, die täglich die eigentliche Einwohnerzahl vervielfachen und ein hochfrequentierter Flughafen im Stadtgebiet gehören dazu, viele Großveranstaltungen und Messen.

Zwar treffen die meisten dieser Faktoren auch auf München — die statistisch gesehen sicherste Großstadt — zu. Aber vergleichbar sind beide Städte nicht mit Düsseldorf. Denn hier haben Täter deutlich mehr Gelegenheit "einfach unterzutauchen", sagt Jürgen Schneider, Chef der Düsseldorfer Kripo. Im Ballungsraum Rhein-Ruhr reisen Einbrecher, Taschen- und Trickdiebe von Stadt zu Stadt, sind aus der einen schneller wieder verschwunden als in der nächsten aufgetaucht. In München dagegen gibt es weniger Ausweichmöglichkeiten. "Wenn der Rhein-Ruhr-Express kommt, wird das nicht besser", prophezeit Schneider. Trotzdem höre er bei jeder Befragung der Düsseldorfer Bürger nie etwas von Angst vor Kriminalität: "Die Leute klagen über Lärm und Dreck. Nicht über Unsicherheit."

Deshalb schaut Schneider auch nicht neidisch auf die Zahlen etwa aus München, wo man über gerade mal 979 Einbrüche klagt; in Düsseldorf waren es 3205. Das habe nicht nur mit den reisenden Tätergruppen zu tun, sondern auch mit einer anderen Bevölkerungsstruktur. In den wohlhabenderen Vierteln sei die soziale Kontrolle deutlich höher, als im anonymeren Rhein-Ruhr-Raum. Und was etwa die Taschendiebstähle angeht, da sind die Münchener Zahlen auch nicht besser. "Wir müssen unsere Statistik nicht verstecken", sagt Schneider.

Ohnehin ist der bundesweite Vergleich der Zahlenwerke nicht angemessen. Denn in den Bundesländern werden unterschiedliche Parameter genutzt. So rühmen sich die Münchener in ihrem Sicherheitsbericht einer Aufklärungsquote von 35 Prozent bei der Straßenkriminalität. Doch darunter fassen die Bayern neun Delikte zusammen, in NRW sind es 22. Und in Bayern zählen dazu auch sexueller Missbrauch von Kindern und gefährliche Körperverletzung — beides Delikte mit hoher Aufklärungsquote. Taschendiebstähle dagegen, die selten geklärt werden, zählt man in München nicht zur Straßenkriminalität, in Düsseldorf dagegen schon.

Für Jürgen Schneider und die Düsseldorfer Kripo ist der Blick auf andere Städte interessanter: In Essen, Köln, Duisburg und Dortmund seien die Bedingungen für Polizei wie für Straftäter annähernd vergleichbar — was übrigens auch aus den Statistiken hervorgeht, die durchaus ähnliche Tendenzen aufweisen.

Und seit neuestem können die Polizeibehörden auch tagesaktuell erkennen, ob ein Verdächtiger womöglich auch in anderen NRW-Städten schon aktiv war — ein großes Plus für die Arbeit der Kripo, die landesweit gegen die gleichen Phänomene kämpft: steigende Diebstahlszahlen. Den Trend bei den Wohnungseinbrüchen hat die Düsseldorfer Polizei im vergangenen Jahr mit einer ganzen Reihe aufwendiger Maßnahmen gestoppt — mit dem Effekt, dass im Umland die Zahlen stiegen. "Die Täter, insbesondere die professionellen Banden, reagieren sofort auf unsere Maßnahmen", sagt Schneider. Zunächst durch Ausweichen, aber irgendwann werden sie mit einer neuen Strategie auch wieder auftauchen. Und dann entwickelt die Polizei eben wieder neue Konzepte.

Ändern, sagt Schneider, "wird sich daran im veränderten Europa nichts". Die Gründe für die steigende Anzahl der Eigentumsdelikte seien offensichtlich: "Wenn es den Menschen in ihren Herkunftsländern besserginge, müssten sie nicht zum Stehlen hierher kommen." Ohne Drogensucht keine Beschaffungskriminalität, ohne den Mangel an Konfliktfähigkeit weniger Gewalttaten — das sind soziale Probleme, für die Polizei nicht zuständig ist. Wir, sagt Schneider, "bearbeiten nur die Symptome."

(RP)
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