Nach Unwetter in Düsseldorf Kontroverse um baumfreie Deiche

Düsseldorf · Nach der Ankündigung des künftigen OB Thomas Geisel, keine weiteren Bäume auf Deichen fällen zu wollen, streiten Bürger und Politiker um den Hochwasserschutz. SPD und CDU setzen auf Baumerhalt, die Grünen auf Sicherheit.

 Die Luftaufnahme des städtischen Vermessungsamtes zeigt entwurzelte Bäume am Deich in Niederkassel. Die Aufnahme entstand laut Stadt in der Nähe des Weges "Am Pappelwäldchen".

Die Luftaufnahme des städtischen Vermessungsamtes zeigt entwurzelte Bäume am Deich in Niederkassel. Die Aufnahme entstand laut Stadt in der Nähe des Weges "Am Pappelwäldchen".

Foto: Vermessungsamt / Hans-Jürgen Bauer

Die Debatte um die Zukunft der rund 800 Pappeln, Platanen, Linden und Ahorne auf den rund 40 Deichkilometern der Landeshauptstadt gewinnt an Schärfe. Vor allem die Ankündigung des künftigen Oberbürgermeisters Thomas Geisel (SPD), mit ihm werde es "jetzt keine weiteren Fällungen von Bäumen auf den Deichen geben", sorgt für kontroverse Einschätzungen. Auslöser für Geisels Einlassung ist ein von Deichgräf Claus-Henning Rolfs (technischer Leiter Stadtentwässerung) und Umwelt-Dezernentin Helga Stulgies in Aussicht gestelltes Konzept, innerhalb von rund 30 Jahren so gut wie alle Bäume von den unmittelbar dem Hochwasserschutz dienenden Deichabschnitten verschwinden zu lassen. Pfingstorkan "Ela" und mehr als 30 komplett entwurzelte Bäume hatten die Fachleute bestärkt.

Die Norm Der Normenausschuss Wasserwesen hat den Hochwasserschutz an Fließgewässern seit Januar 2013 in der "DIN 19712" geregelt. Dort heißt es im Punkt 7.5.5: "Gehölze (Bäume, Sträucher und Hecken) auf Deichen beeinträchtigen die Standsicherheit sowie die Unterhaltung und sind deshalb unzulässig. Bäume müssen einen Mindestabstand von 10 m (Pappeln 30 m) vom Deichfuß aufweisen."

Die Befürworter Rückendeckung erhalten Rolfs und Stulgies von Grünen-Fraktionschef Norbert Czerwinski: Das Thema "größtmögliche Sicherheit vor Überflutung" eigne sich nur bedingt für Kompromisse. Die Einschätzungen seines möglichen künftigen Koalitionspartners im Rat teilt er nicht. "Noch hat Thomas Geisel nicht angefangen. Wenn für ihn als Oberbürgermeister aktenkundig wird, dass es auf den Deichen vermeidbare Gefahren gibt und seine Mitarbeiter dafür sogar haftbar gemacht werden können, wird er diese Leute sicher davor bewahren." Auch Bürger argumentieren so. Deiche seien nutzbezogene Bauwerke, die keinen ästhetischen Aspekten zu dienen hätten, meint Jürgen Lämke. Kaum ein Ereignis sei so unwahrscheinlich, dass es nicht doch eintreten könnte, schreibt er in einem offenen Brief an Geisel. Auf maximale Sicherheit setzt auch die Nachbarstadt Monheim, deren Rheindeiche baumfrei sind. "Wir fühlen uns nach ,Ela' bestätigt, dass es richtig ist, die Deichtrasse frei zu halten", sagt Stadtsprecher Michael Hohmeier.

 In Lohausen entwurzelte Orkan Ela einen Baum und riss damit ein großes Loch in den Deich. Arbeiter füllen das Loch wieder auf.

In Lohausen entwurzelte Orkan Ela einen Baum und riss damit ein großes Loch in den Deich. Arbeiter füllen das Loch wieder auf.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Die Skeptiker Auf den Erhalt möglichst vieler Bäume setzt dagegen CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt. "Wir wünschen uns wirklich nicht, dass gesunde Bäume gefällt werden, es sei denn, ihre Standfestigkeit ist gefährdet." Damit liegt Gutt auf einer Linie mit SPD-Parteichef Andreas Rimkus. "Es gibt auch die Meinung, dass Baumpflanzungen das Wegrutschen von Erde verhindern." In dieselbe Richtung zielen zahlreiche Bürger: Nur hochgewachsene Pappeln sollten weichen, kurz gehaltene andere Arten könnten stehen bleiben, lautet ein Vorschlag. "Einen 100-prozentigen Schutz gegen Naturgewalten wird es ohnehin nicht geben", schreibt Walter Pelshenke. Ein vorbeugender Kahlschlag wäre ein "Eingriff in die Identität dieser liebenswerten Stadt".

Leserforum Schreiben Sie uns ihre Meinung zur Deichbaum-Kontroverse an: stadtpost@rheinische-post.de oder per Fax an: 505-2294.

(RP)
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