„Betrieb im Königreich Deutschland“ Wie eine Düsseldorfer Kampfsportschule Reichsbürger anlockt

Düsseldorf · Eine Kung-Fu-Schule in der Innenstadt wirbt öffentlich damit, ein Betrieb im sogenannten „Königreich Deutschland“ zu sein. Die Betreiber veranstalten Seminare in ganz NRW, um Menschen für den „Systemausstieg“ zu ködern. Der Verfassungsschutz beobachtet die Aktivitäten.

 „Zutritt nur für Staatsangehörige und zugehörige des Königreichs Deutschland“ steht auf dem Schild im Schaufenster.

„Zutritt nur für Staatsangehörige und zugehörige des Königreichs Deutschland“ steht auf dem Schild im Schaufenster.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Von außen betrachtet sieht das kleine Kampfsportstudio in einer Seitenstraße der Stadtmitte aus wie viele andere. Neben Ving Tsun Kung-Fu, einer asiatischen Kampfsportart, werden Seminare über Zen-Buddhismus und heilpraktische Schmerztherapien angeboten. Doch diese Angebote sind nicht für jeden gedacht, wie auf Schildern im Schaufenster des Ladenlokals zu lesen ist. „Zutritt nur für Staatsangehörige und Zugehörige des Königreichs Deutschland“, steht dort geschrieben. „Anträge auf Zugehörigkeit hier erhältlich.“

Seit elf Jahren existiert die Kampfsportschule bereits an dieser Stelle, nicht weit entfernt vom Düsseldorfer Zentrum. Seit einiger Zeit firmiert das Studio jedoch unter neuem Logo und Namen – und offensichtlich auch mit einer neuen inhaltlichen Ausrichtung, die über das Erlernen von Kampfkunst deutlich hinausgeht. Man möchte Wissen auf „Augenhöhe“ teilen, „ganz ohne hierarchische Struktur“, steht auf der Webseite.

Die Betreiber sagen von sich, ein „Betrieb im Königreich Deutschland (KRD)“ zu sein. Tatsächlich findet sich im Impressum die Handelsregisternummer einer fiktiven Behörde. Zudem besäßen Teilnehmer der Kurse automatisch eine „temporäre Zugehörigkeit“ und haben demnach Verfassung und Gerichtsbarkeit des Königreichs Deutschland bei Rechtsstreitigkeiten „erstrangig zu wählen“, heißt es im Kleingedruckten der Flyer.

Das sogenannte Königreich Deutschland sei eine extremistische Bewegung, die zum Umfeld der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ gehöre, erklärt eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf Anfrage. Gegründet wurde das KRD 2012 in der Lutherstadt Wittenberg; es kennzeichnet einen Personenkult um Peter Fitzek, den Gründer und selbst ernannten „König von Deutschland“.

Wie andere Gruppierungen aus dem Phänomenbereich behaupten auch die Königreichs-Anhänger, einen eigenen Staat als „Alternative zum derzeitigen System“ aufbauen zu wollen. „Im Unterschied zu den meisten Reichsbürgern leugnet das KRD die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik nicht“, sagt die Sprecherin. „Aber es suggeriert seinen Anhängern fälschlicherweise, sie könnten sich durch einen Übertritt zum KRD der Geltung der deutschen Gesetze entziehen und sich unter anderem von der Steuerpflicht befreien.“ Das eigene Staatswesen solle den Anhängern vermeintliche Vorteile gegenüber dem Finanzsystem der Bundesrepublik Deutschland sichern – damit versucht das KRD in ganz Deutschland und zunehmend in NRW Interessenten in seine Seminare zu locken.

Konkrete Umsturzpläne wie bei den im Dezember in Frankfurt festgenommenen Reichsbürgern Heinrich XIII. Prinz Reuß und seiner Gruppe stünden hier aber nicht im Vordergrund. Beim Königreich Deutschland fokussiere man sich auf den „Systemausstieg“: „Das KRD versucht, insbesondere Menschen zu ködern, die eine Skepsis gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen System hegen sowie offen für Verschwörungsmythen sind“, erklärt die Sprecherin.

Konzentrierten sich die Anhänger bislang auf Selbstverwalter-Dorfprojekte in den östlichen Bundesländern, beobachtet der Verfassungsschutz nun eine zunehmende Intensivierung der Tätigkeiten auch in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf und das Kampfsportstudio in Stadtmitte scheinen dabei eine Art „Stützpunkt“ der Bewegung zu bilden und finden sich auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht wieder.

Die Betreiber des Studios werben auf der Webseite des sogenannten Königreichs offen als Vortragsredner für ihre Seminare, die von Bielefeld, Köln bis ins Bergische Land reichen. 374 Euro werden für die komplette Reihe „Systemausstieg“ verlangt. Auch andere, „staatliche Dienstleistungen“ – wie das Ausstellen eines Ausweises – kosten beim Königreich Deutschland hohe Gebühren, die in einer fiktiven, nicht rücktauschbaren Währung bezahlt werden müssen. Das gelte auch für die Seminarbeiträge.

„Tatsächlich riskieren die Anhänger des KRD erhebliche finanzielle Schäden, da sie nach deren Darstellung beispielsweise keine Ansprüche auf Rückzahlungen der eingezahlten Beträge haben“, so die Sprecherin weiter. Eine umfassende Anfrage unserer Redaktion zu ihrer Einstellung gegenüber der Bundesrepublik und ihren geschäftlichen Aktivitäten ließen die Betreiber des Studios auch nach Wochen noch unbeantwortet.

In seiner „Verfassung“ stellt das KRD das staatliche Gewaltmonopol infrage. Auch antisemitische Narrative finden immer wieder Eingang in die Videos, die KRD-Gründer Fitzek viral verbreitet. Nicht alle seiner Anhänger seien jedoch der offen rechtsextremistischen Reichsbürgerszene zuzuordnen, erklärt Alexander Häusler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) der Hochschule Düsseldorf. Auch aus anderen politischen und gesellschaftlichen Strömungen kämen Interessierte. „Was sie eint, ist eine deutliche Demokratiefeindlichkeit und der Wunsch nach Selbstermächtigung“, sagt Häusler.

Gerade aufgrund der zunehmenden Verzahnung mit anderen Protestbewegungen, etwa mit der Szene der Corona-Leugner oder mit Verschwörungstheoretikern, müsse das „Königreich Deutschland“ beobachtet werden. Menschen aus der bürgerlichen Mitte, die sich anfangs vielleicht nur für alternative Gesellschaftsformen interessiert hätten, kämen so leicht in Kontakt mit Ideologien rechtsgerichteter Staatsfeindlichkeit. „Das führt zu einer Radikalisierung des in Teilen bürgerlichen Milieus und macht diese Melange so gefährlich“, sagt Häusler.

(ctri)
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