Serie "Düsseldorf wächst" Kleine Wohnungen sind im Kommen

Düsseldorf · Wer in Düsseldorf eine Wohnung kaufen möchte, muss einiges beachten. Immobilienexperten raten im RP-Interview zu kleineren Wohnungen um die 77 Quadratmeter. Bei den nächsten Trend-Vierteln sehen sie Unterrath und Lierenfeld ganz vorne.

 Immobilienexperten in der RP-Redaktion (v.l.): Marcel Abel, Geschäftsführer des Maklers JLL, Reiner Götzen, Gründer und Geschäftsführer von Interboden (Quartier Central, Le Flair) und Heiko Leonhard, der als Vorstandschef der Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft mehr als 7500 Wohnungen betreut.

Immobilienexperten in der RP-Redaktion (v.l.): Marcel Abel, Geschäftsführer des Maklers JLL, Reiner Götzen, Gründer und Geschäftsführer von Interboden (Quartier Central, Le Flair) und Heiko Leonhard, der als Vorstandschef der Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft mehr als 7500 Wohnungen betreut.

Foto: Bretz, Andreas

Sie als Fachleute: Würden Sie Ihrem besten Freund empfehlen, in Düsseldorf eine Wohnung zu kaufen?

Götzen Klar, wenn es eine halbwegs brauchbare Lage im Stadtzentrum ist, kann man nichts falsch machen. Die Sicherheit der Immobilie ist gegeben, natürlich kaufen Sie heute zu deutlich höheren Preisen als noch vor ein paar Jahren. Wir haben unserer Familie gerade noch empfohlen, ein Haus in Derendorf zu kaufen.

ABEL Ich würde es meinem besten Freund empfehlen, würde aber fragen, ob er beabsichtigt, dauerhaft in Düsseldorf zu bleiben. Sonst wäre es besser, eine Wohnung zu mieten. Langfristig ist es aber auf jeden Fall sinnvoll. Denn Düsseldorf wird weiterhin Zuzüge haben, die Nachfrage nach Immobilien bleibt also hoch.

LEONHARD Ich stimme aber zu, dass jemand, der zur Eigennutzung eine Wohnung kaufen möchte, damit in Lebensqualität investiert. Da macht man nichts falsch. Will er jedoch investieren, um Gewinn zu machen, wäre ich zurückhaltend.

Sie sind Chef einer Wohnungsgenossenschaft. Ist es sicherer, in ein solches Modell zu investieren?

Leonhard Bei uns zeichnen Sie ja Genossenschaftsanteile von maximal 2000 Euro. Wir haben fast 11 000 Mitglieder und mehr als 7500 Wohnungen. Weil wir die Mitgliedschaft mit einem realistischen Wohnungswunsch verbinden möchten, nehmen wir nicht jeden auf.

Wie funktioniert das Konzept?

Leonhard Bei uns sind Sie Mitglied, nicht Mieter, und schließen einen Dauernutzungsvertrag ab. Mit acht Pflichtanteilen wird man Mitglied und hat das Recht, eine Wohnung zu beziehen.

Wo sollte man denn in Düsseldorf kaufen?

Abel Auch da kommt es darauf an, welcher Typ man ist. In der City haben Sie kleinere Einheiten und eine höhere Fluktuation. Dafür ist es sicher, dass sie die Wohnungen vermietet bekommen. Wenn Sie es ertragen, dass Mieter ausziehen und die Wohnung vielleicht renoviert werden muss, ist das ein gutes Investment.

GÖTZEN Es ist eine individuelle Entscheidung: Unser Projekt Le Flair auf dem früheren Derendorfer Güterbahnhof ist beliebt bei Familien mit kleinen Kindern. Wenn Sie leidenschaftlicher Tennisspieler sind, ist die frühere Reitzensteinkaserne besser, weil Sie zum Tennisplatz nur über die Straße müssen. Wenn es Oberkassel sein soll, bietet sich der Belsenpark an.

Welche Stadtviertel sind als Nächstes im Kommen?

Abel Unterrath und Lierenfeld könnten es sein, dort gibt es aber zu wenige Mehrfamilienhäuser. Mit Stadtmitte und Bilk können Sie nichts falsch machen.

"Die ganzen Rudi Völlers sind mittlerweile versorgt"

Was ist mit Oberbilk?

Götzen Ja, im Bereich des Oberbilker Markts, nicht aber Richtung Erkrather Straße. ABEL Wenn das Quartier M auf dem früheren Post-Areal hinter dem Hauptbahnhof mit der Architektur von Jürgen Mayer H. kommt, wird das aber auch aufgewertet.

LEONHARD Auch in Bilk rund um den Aachener Platz entwickelt sich was. Bei dem Wohnbauprojekt "Fleher Leben" gibt es große Wohnungen für über 600 000 Euro. Dort dürfte eine zahlungskräftige Klientel hinziehen.

In einer Studie warnt die Bundesbank, dass der Markt in vielen Großstädten, auch in Düsseldorf, überhitzt. Sehen Sie das nicht so?

Götzen Ich wäre vorsichtig bei den großen Wohnungen, also 120 bis 150 Quadratmeter und vier bis fünf Zimmer. Zwei 75-Quadratmeter-Penthäuser sind sicherer als eins mit 150 Quadratmetern.

ABEL Die ganzen Rudi Völlers sind mittlerweile versorgt. Es gibt im Luxus-Segment eine gefühlte Sättigung.

Wo sind die tatsächlichen Bedarfe?

Götzen Die Zielgruppe für die teureren Objekte ist natürlich viel kleiner. Wir haben das berechnet: 77 Quadratmeter, drei Zimmer, 270 000 Euro — das können sich deutlich mehr Leute leisten als das höhere Preissegment.

ABEL In einer Wohnung dieser Größe kann man auch alleine leben, beispielsweise im Alter, wenn der Partner gestorben ist. Solche Argumente spielen bei der Kaufentscheidung eine große Rolle. Statistisch beträgt der Bedarf 46 Quadratmeter pro Kopf.

LEONHARD Man muss zwischen Eigentum und Miete unterscheiden. Bei Mietwohnungen müssen wir das bauen, was künftig nachgefragt wird. Und die Nachfrage kommt von alleinstehenden Senioren. Bei uns sind Wohnungen unter 60 oder sogar 50 Quadratmeter der Renner; kleine, öffentlich geförderte Wohnungen in Mörsenbroich — die waren sofort weg. Schwierig ist das Geschäft angesichts des demografischen Wandels in alten Wohngebieten, dort kann man Wohnungen fast nicht mehr barrierefrei gestalten.

Götzen Wir hatten bei einem Projekt in eine Restfläche 33-Quadratmeter-Appartements gebaut, als Experiment. Das lief sehr gut, eingezogen sind ältere Leute.

ABEL Das zeigt, dass man als Entwickler auch mal etwas probieren muss. Am Reißbrett geplant hätte man nicht geglaubt, dass solch ein Angebot Interesse findet.

GÖTZEN Meine Faustregel ist: 70 Prozent für Otto Normalverbraucher, 30 Prozent für Leute, die anders sind. Das ist dann das Experimentierfeld.

Das Unkonventionelle bringt also erst das Visionäre hervor?

Götzen Genau. Zurzeit probieren wir möblierte Wohnungen. In der Schweiz wird generell mit möblierter Küche vermietet, in Deutschland ist das die Ausnahme. Wir wollen voll möblierte Business-Appartements anbieten. Da zieht man mit einem Koffer ein. Das steht natürlich im Wettbewerb mit den Hotels. Ein weiterer Trend ist die Digitalisierung.

Inwiefern?

Götzen Das reicht vom Melden einer kaputten Glühbirne bis zum Wechsel des Namensschilds und Buchen des Gästeappartements — alles läuft digital. Wir haben sogar eine eigene App dafür entwickelt.

Nur ein bis zwei Prozent aller Wohnungen in Düsseldorf sind barrierefrei. Mit Blick auf die Demografie reicht das nicht. Warum stellen sich die Entwickler darauf nicht ein?

Götzen Was wir neu bauen, ist barrierefrei. Für sozialen Wohnungsbau ist eine barrierefreie Etage sogar Vorschrift.

LEONHARD Es ist ja schon viel, wenn eine Wohnung barrierearm ist, das heißt, dass ich in Bilk in den dritten Stock mit dem Aufzug komme. Ob ich zum Balkon eine Stufe nehmen muss, ist nicht das vordringliche Problem. Wir haben aber im Bestand Quartiere mit 300 bis 400 Wohnungen, das Durchschnittsalter unserer Mitglieder ist dort über 60 Jahre und wir haben dort keine einzige barrierearme Wohnung. Da sind in den nächsten Jahren Probleme programmiert.

ABEL Ich glaube, dass sich — wie jetzt schon im Gewerbebereich — der Druck im Wohnsegment erhöhen wird, weil es zu Leerstand kommt, wenn Wohnungen einen bestimmten Standard nicht bieten.

GÖTZEN Wir suchen bereits nach neuen Wohnformen, die Lösungen sein könnten. Wir sind zum Beispiel in Kontakt mit der Graf-Recke-Stiftung für ein Wohnmodell für Kleinstpflegegruppen. Bisher hat so etwas noch keiner geschafft.

Sie alle sind Mitglieder im "Forum Zukunft.Wohnen Düsseldorf", haben auch das 2013 von CDU, Grünen und FDP beschlossene Handlungskonzept Wohnen mit erarbeitet. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Leonhard Wir als Bestandsgenossenschaft hatten eine Pflichtquote von 20 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum vorgeschlagen, das wurde umgesetzt. Bei den weiteren 20 Prozent für preisgedämpften Wohnbau hatten alle Teilnehmer eine Grenze von zehn Euro pro Quadratmeter für richtig gehalten. Die Politik hat 8,50 Euro beschlossen.

Das halten Sie für nicht machbar?

Götzen Bei steigenden Grundstückspreisen und Baukosten rechnen sich zehn Euro soeben. Wir haben klar gesagt, dass unter zehn Euro nicht geht. Auf Wunsch der Grünen wurden es 8,50 Euro. Im nicht geförderten Bereich ist das nicht möglich.

Kann das dazu führen, dass Investoren weniger Wohnungen bauen?

Götzen Natürlich. Die Grünen wollen, dass nach der Energie-Einsparverordnung (Enev) und gleichzeitig preiswert gebaut wird. Beides zusammen geht nicht.

Dennoch: Die Mieten steigen. Was kann die Lösung sein?

Abel Ich denke, dass Unternehmen dabei eine tragende Rolle einnehmen werden: Manche werden Immobilien kaufen oder sogar bauen und sie ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Andere werden einen Mietzuschuss anbieten, um Mitarbeiter nach Düsseldorf zu ziehen. Ich schließe auch eine neue Form der Werkswohnung nicht aus. Dass Unternehmen zum Beispiel in der Region Grundstücke kaufen und ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen, um darauf selbst zu bauen.

Das heißt, im Kampf um Fachkräfte wird die Miete ein Thema?

Abel Das ist ja jetzt schon im Bereich der Auszubildenden so. GÖTZEN Im Neubaubereich kann man das nicht. Wir planen im Bereich der neuen FOM neben dem FH-Campus Studentenwohnungen. Das scheitert im Moment aber am Eins-zu-Eins-Stellplatznachweis.

Pro Wohneinheit ein Stellplatz ...

Abel Dabei wollen viele Studenten heute gar kein eigenes Auto haben.

GÖTZEN Die Stadt hat aber die Sorge, dass jemand Studentenwohnungen ohne Stellplätze baut und sie dann umwidmet.

LEONHARD Hamburg hat den Stellplatznachweis abgeschafft. Und: Wohnberechtigte haben in der Regel kein Auto.

ABEL Es ist ein Geben und Nehmen. Wenn die Stadt mehr preiswerten Wohnraum will, könnte die Abschaffung der Stellplatzsatzung ein Entgegenkommen sein.

(RP)
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