Interview "Oktoberfest kann von uns lernen"

Düsseldorf · Kirmes-Architekt Thomas König kennt das Volksfest wie kein anderer. Er weiß, wie die Loveparade-Katastrophe alles veränderte. Wegen des neuen Sicherheitskonzeptes mussten die Organisatoren in den vergangenen Monaten für sie völlig neue Probleme lösen.

 Thomas König ist der "Kirmes-Architekt" und muss in diesem Jahr ganz besonders auf Sicherheitsbestimmungen achten.

Thomas König ist der "Kirmes-Architekt" und muss in diesem Jahr ganz besonders auf Sicherheitsbestimmungen achten.

Foto: Andreas Endermann

Es gibt in Deutschland viele große Volksfeste — Münchner Oktoberfest, Cannstatter Wasen, Hamburger Dom, Cranger Kirmes. Was unterscheidet Düsseldorf von den anderen?

König Ich spreche viel mit den Schaustellern. Und die kennen oft alle anderen Kirmessen. Da ist die Antwort ziemlich eindeutig: Unsere Kirmes ist beispielhaft friedlich, und die Besucher sind auffallend höflich.

Wie meinen die das?

König Schauen Sie auf die Polizeiberichte aus den vergangenen Jahren. Da gibt es kaum besondere Vorkommnisse — und das sagen nicht die Schützen oder ich, sondern das sagt die Polizei selbst. Am herausragendsten sind noch die 400 Falschparker, die abgeschleppt wurden. Ansonsten läuft das hier sehr friedlich ab.

Woran liegt das?

König Natürlich am Publikum, wir sind eben vor allem ein Fest für Familien. Aber auch daran, dass wir eben kein Bierfest sind, auf dem viel getrunken wird, sondern bei uns kommen die Leute vor allem, um spannende Unterhaltung zu erleben. Das ist in München ganz anders.

Sie kennen natürlich das Oktoberfest?

König Ja, ich fahre alle zwei bis drei Jahre hin und schaue mir an, was die so machen und welche Erfahrungen man nutzen kann. Aber es war auch mein Kollege aus München hier und hat sich unsere Strategien angeschaut. Die haben sich nämlich gefragt, wie wir es schaffen, eine so friedliche Kirmes zu feiern, obwohl es hier auch Bierzelte gibt. Vor allem haben die inzwischen gemerkt, dass sie etwas am Konzept ändern müssen, und da können die von uns lernen.

Inwiefern?

König Die Münchner haben gemerkt, dass das Oktoberfest vor allem als Bierfest im Bewusstsein der Gäste verankert ist. Das schafft natürlich Probleme. Jeder, der mal auf der Wies'n war, kennt das: Da fallen einem mittags schon die Betrunkenen auf, und man hat daher ein größeres Problem mit Gewalt. In diesem Umfang und in dieser Intensität gibt es das bei uns in Düsseldorf nicht.

Und was ist mit der angeblichen Höflichkeit der Düsseldorfer Besucher?

König (lacht) Das ist ein Eindruck der Schausteller. Die Besucher kommen hier an die Kassen, lösen ein Ticket und sagen Danke und Bitte. Das ist offenbar nicht überall selbstverständlich. Auf jeden Fall ist unsere Kirmes bei den Schaustellern sehr beliebt, sie nennen sie die Königin der Volksfeste.

Aber diese Königin hat dieses Jahr einige Probleme zu lösen.

König Ja, das stimmt. Die Katastrophe der Loveparade im vorigen Jahr fiel ja auf unsern zweiten Kirmes-Samstag, das heißt, wir waren kurz vor Ende unseres Festes. Als ich davon hörte, war mir sofort klar: Unsere nächste Kirmes wird anders sein, da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.

Was haben Sie dann getan?

König Wir haben uns sofort mit den Fachleuten von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsbehörden zusammengesetzt und das Thema besprochen. Das hat sich dann weiterentwickelt, es gab mehrere Workshops mit dem Ziel der Entwicklung eines einheitlichen Sicherheitskonzeptes.

Was war das größte Problem?

König Wir mussten uns ja alle erst in die Materie einarbeiten. Vor allem: Es gibt keine klaren Vorgaben, denn viele Sicherheitsvorschriften beziehen sich auf geschlossene Räume. Aber unser Festplatz ist ja eine offene Fläche. Andererseits hatten wir ja schon immer eine Vielzahl einzelner Sicherheitskonzepte und eindeutige Sicherheitsvorschriften, auf die wir die Schausteller und Wirte jedes Jahr schriftlich hingewiesen haben.

Nun haben ja Uerige und Füchschen ihre Teilnahme für dieses Jahr abgesagt. Haben Sie dafür Verständnis?

König. Nein, habe ich nicht. Ich weiß nicht wirklich, was die beiden dazu bewogen hat. Schließlich kennen auch diese beiden die Vorschriften seit vielen Jahren. Übrigens wird die Brauerei Schumacher dieses Jahr ein neu konzipiertes und aufwändig gestaltetes Zelt auf dem Areal aufbauen, auf dem bisher der Uerige war.

Beide haben aber angekündigt, 2012 wieder dabei sein zu wollen. Gibt es da einen Automatismus?

König Nein, den gibt es nicht. Beide müssen sich wie jeder andere auch um einen Platz bewerben. Aber da beide Zelte sehr beliebt sind, ist eine Berücksichtigung schon vorstellbar. Voraussetzung dafür sind jedoch genehmigungsfähige Konzepte.

Ein Knackpunkt war ja die strenge Regel, künftig nur noch zwei Personen pro Quadratmeter Zelt zuzulassen.

König Ja, das stimmt. Vor allem haben wir angekündigt, dass wir das in diesem Jahr kontrollieren werden. Wir haben den Wirten aber auch Möglichkeiten aufgezeigt, wie man mit dieser Regelung gut leben kann, und sind bereit, in Absprache mit den Behörden und unter bestimmten baulichen und organisatorischen Voraussetzungen auch bis zu drei Personen zu akzeptieren.

Die Kirmes fängt ja dieses Jahr einen Tag früher an, dauert also einen Tag länger — welche Folgen hat das?

König Das ist natürlich für uns und die Schausteller positiv. Wir gewinnen dadurch einen Freitagabend mit vielen Zuschauern. Aber es entstehen auch zusätzliche Kosten: Die Rheinbahn will bezahlt werden, die Hipos der Stadt, die Absperrung für die Oberkasseler Straßen, die Platzreinigung, Energie, Wasser. Ein Tag mehr bedeutet eben auch einen Tag mehr Kosten.

Aber das wird ja umgelegt?

König Stimmt, aber es hat eine gewisse Überzeugungsarbeit gekostet, den Schaustellern klar zu machen, dass der zusätzliche Tag mit zusätzlichem Umsatz nicht gratis zu haben ist.

Hat die Kirmes Zukunft?

König Die große ja, die Kleinen laufen nicht mehr, wie man seit vielen Jahren sieht. Da wird sich noch einiges tun. Aber bei den großen Volksfesten wie bei uns ist der Andrang nach wie vor hoch, deshalb sind wir für die Schausteller auch so attraktiv. Ein kleinerer Schaustellerbetrieb aus der Region macht auf der Düsseldorfer Kirmes bis zu 60 Prozent seines Jahresumsatzes.

Wie geht das mit den Fahrgeschäften weiter — noch höher, noch schneller, noch spektakulärer?

König Da sind wir bald am Ende der Fahnenstange. Noch aufwändiger geht kaum, weil diese Geräte zu viel kosten würden, das kann man nicht mehr einspielen. Wenn man sich überlegt, dass heute schon eine Fahrt in einer der großen Achterbahnen oder in einem der Loopings acht oder zehn Euro kostet, dann ist das doch sehr viel Geld. Außerdem kommen wir auch ans Ende der körperlichen Möglichkeiten. Auf dem Booster-Max entstehen Fliehkräfte von 4 g — mehr kann ein Mensch kaum aushalten.

Booster Max?

König Das ist so eine Riesenschleuder, auf der die Leute auf bis zu 50 Meter höher in allen möglichen Ebenen hin und her geschleudert werden.

Wie wird denn die Kirmes künftig die Leute locken?

König Klassiker wie das Riesenrad, die Wilde Maus wird es immer geben, das finden die Menschen einfach schön. Auch Kuriositäten wie die Frau ohne Unterleib oder die Boxbude haben Zukunft. Ansonsten glaube ich an Techniken, in denen die Sinne der Menschen bewusst verwirrt werden, durch Optik, Geräusch und andere Techniken. Das wird sich weiter entwickeln. Aber wir sollten auch versuchen, die Kirmes noch mehr als Teil unserer Kultur zu sehen, entsprechend zu entwickeln und auch zu vermarkten.

Wie meinen Sie das?

König Warum kann man in der Modestadt Düsseldorf nicht die Mode auch auf die Kirmes holen? Oder die gute Küche? Wir haben hier mehrere Top-Köche. Die gehen zwar gern aufs Weinblütenfest, aber warum kommen sie nicht mit einem kleinen Stand auf die Kirmes und bieten dort ihre Top-Kreationen in einem kleinen Rahmen an? Machbar wäre das, und in Düsseldorf gibt es sicher ein Publikum dafür.

Hans Onkelbach führte das Gespräch.

(RP)
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