Rheinkirmes Karussell-Unfall: Ablauf unklar

Düsseldorf · Der Vierjährige, der am frühen Sonntagabend aus einem Kettenkarussell geschleudert wurde, hat den Sturz offenbar tatsächlich ohne schwere Verletzungen überstanden. Der Kinderschutzbund sieht sich durch den Unfall "auf schlimmste Weise bestätigt". Die Polizeiermittlungen dauern an.

 Die Sessel des Kettenkarussells sind für Erwachsene und größere Kinder gemacht. Kleine, wie der vierjährige John, haben durch den Sicherungsbügel keinen ausreichenden Halt im Sitz.

Die Sessel des Kettenkarussells sind für Erwachsene und größere Kinder gemacht. Kleine, wie der vierjährige John, haben durch den Sicherungsbügel keinen ausreichenden Halt im Sitz.

Foto: Andreas Bretz

Die gute Nachricht vorweg: Der kleine John muss zwar noch in der Klinik bleiben und sich vermutlich auch einer Kieferoperation unterziehen. Aber mit einigen ausgeschlagenen Zähnen und einer aufgeplatzten Lippe ist John bei seinem Sturz aus dem fahrenden "Kettenflieger" glimpflicher davon gekommen als man es für möglich gehalten hätte.

Sonntag gegen 17.30 Uhr hatte sein Vater den Vierjährigen in einen der Sessel am Kettenkarussell "Kettenflieger" gesetzt. Und wenig später musste er mit ansehen, wie sein Sohn den Sitzbügel anhob und aus dem Sessel rutschte, wie er durch die Luft flog und in einem nicht einmal einen Meter breiten Durchgang zum Wohnwagen der Wahrsagerin Cassandra aufschlug.

Kinderschutzbund ist erschüttert

Die Polizei, die den Unfallhergang zu klären versucht, hat viele Zeugen befragt und widersprüchliche Schilderungen gehört. Mal heißt es, John habe nach der Fahrt versucht auszusteigen, bevor das Karussell zum Stillstand kam, und sei vom letzten Schwung hinaus geschleudert worden. Andere berichteten, das Kind habe schon beim Anfahren des Karussells Angst bekommen und habe deshalb versucht, sich aus dem Sitz zu befreien. Am "Kettenflieger", der seit vielen Jahren zu den beliebten Kirmesattraktionen in Düsseldorf gehört, habe es jedenfalls keine Mängel gegeben, hieß es.

Bei den Ermittlungen wegen Körperverletzungen wird wohl auch das Verhalten von Johns Vater eine Rolle spielen. Schließlich sagt ein Schild am "Kettenflieger" deutlich, dass Kinder unter sechs Jahren nicht alleine mitfahren dürfen.

Für Diana Goldermann-Wolf vom Kinderschutzbund reicht das nicht. "Man kann nicht bloß auf die Verantwortung der Eltern setzen, auch die Betreiber müssen darauf achten, dass ihre eigenen Bestimmungen eingehalten werden."

Schon im vorigen Jahr hatte der Kinderschutzbund die Kirmesveranstalter aufgefordert, die Größte Kirmes am Rhein kinderfreundlicher zu machen. "Der Unfall des kleinen Jungen bestätigt uns darin auf schlimmste Weise", so Goldermann-Wolf, die den Schützen als Veranstaltern der Kirmes vorwirft, zu zögerlich gehandelt zu haben. Der Schaustellerverband hatte die Forderung der Kinderschützer nach einem ruhigeren Familienbereich mit kindgerechten Attraktionen für "Blödsinn" erklärt, schließlich sei die ganze Kirmes ein Familienfest. Und auch bei den Schützen sah man die Verantwortung fürs Wohlergehen der Kinder zuerst bei den Eltern.

Erst Ende Juni hatte sich die Stadt in die Verhandlungen zwischen Kinderschutzbund, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendälrzte und den Schützen eingeschaltet. Im nächsten Jahr soll nun erstmals ein umfassendes Kinderschutzkonzept für die Größte Kirmes am Rhein erarbeitet werden, die Beratungen dafür bereits Anfang 2012 beginnen. Bis dahin, so die Vereinbarung, soll auch geprüft werden, ob Oberkasseler Vereine und das Rote Kreuz ein Familiencafé betreiben können, das auch Wickel- und Stillmöglichkeiten anbiete. Auch das hatte der Kinderschutzbund angeregt, nachdem die Schützen Ruhezonen bei der Kirmes 2012 versprochen hatten.

Als Sofortmaßnahme hatten sich Veranstalter und Kinderschützer darauf geeinigt, den Kirmesflyern Handzettel beizulegen. Auf denen werden Eltern gebeten, Kleinkindern unter drei Jahren "den Stress durch Lärm, grelles Licht und Enge" zu ersparen und die Alters- und Größenbeschränkungen der Karussells unbedingt zu beachten.

(RP)
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